MS Tabora – Farbe ist kein Dreck

Josef_Raben

von Josef_Raben

Story

Die Biscaya ist im Oktober rau und stürmisch. Die Seekrankheit hatte mich kalt erwischt, aber jetzt stand ich mit den anderen wieder an Deck. Wir Decksjungen sollten nun nach und nach die Fertigkeiten erlangen, die zum Beruf des Seemannes gehören. Der Bootsmann war ein Riese, aber gutmütig und herzlich. Er brachte uns gleich zu Beginn die wichtigsten Knoten und Spleiße bei. Am Anfang noch etwas ungelenk, gelang schließlich allen der Achtknoten genauso wie der Palstek oder der Augspleiß. Knotenkunde und Spleißen waren die eher angenehmeren Tätigkeiten. Schnell wurde klar, dass eine Sache das Leben des Matrosen nachhaltig beherrschte: der Rost! Ungezählte Stunden verbrachten wir damit, bewaffnet mit Roststecher, Rosthammer und Bürste, der braunen Pest zu Leibe zu rücken. Wenn mal gerade nicht entrostet oder gemalt wurde, war Farbewaschen angesagt. Mit reichlich Frischwasser gegen das Salz.

Je schöner das Wetter war, desto intensiver wurde Rost gestochen und mit Farbe konserviert. Ein nie endenwollender Kampf ohne Siegeschance. Mein Arbeitsoverall („Kesselpäckchen“) legte davon beredtes Zeugnis ab. Das Rot der Vorstrichfarbe, das Grün des Decksbelages und das Weiß der Aufbauten gesellten sich zu dem Gelb der Bordkräne und dem Grau der Ladeluken. Kleiner Trost: Farbe ist kein Dreck!

Ein Vorteil der Arbeit an Deck war, dass man von Zeit zu Zeit von seiner Tätigkeit aufschauen und den Blick nach außenbords schweifen lassen konnte. An der Reling zu stehen, die frische Seeluft zu atmen und das stetige Auf und Ab der Meereswellen auf sich wirken zu lassen, hatte etwas Meditatives; jedenfalls bis der Bootsmann dich aus deinen Träumen riss und an deine Pflichten gemahnte.

Das Vibrieren des stählernen Rumpfes, das von der Schiffsschraube aufgewühlte Kielwasser und das dumpfe Bollern im Hintergrund zeugten von der nimmermüden Tätigkeit der Hauptmaschine, dem Herz des Schiffes. Wir gingen zusammen mit den Maschinisten und Ingenieuren Maschinenwache. Dabei kontrollierten wir Temperaturen, Drücke und Füllstände. Wegen des Lärms mussten wir Ohrenschützer tragen, die hier “Mickymäuse” hießen. Der Maschinenraum bot zu unserem Leidwesen aber auch manche Gelegenheit für Reinigungarbeiten. Diesel und Putzlappen waren dabei die Allzweckwaffen gegen Ölschlamm und Schmiere.

Die Tabora hatte unterdessen mit etwa14 Knoten Reisegeschwindigkeit Cap Finisterre westlich umrundet, nach Süden die portugiesische Küste passiert und schließlich die Straße von Gibraltar erreicht. Von alledem hatten wir höchstens mal einen Streifen Land am Horizont gesehen, falls wir nicht während der Brückenwache einen Blick auf die Seekarte werfen konnten. Gibraltar zeigte sich an Backbord als weißer Felsen im Meer. An Steuerbord kam als dunkler Streifen die Küste von Nordafrika in Sicht.

Wir ließen nun den Atlantik hinter uns, vor uns das warme Mittelmeer. Ostafrika, das Ziel unserer Reise, war wieder ein Stück näher gerückt.

© Josef_Raben 2021-02-13

Hashtags