Mundfaul

Doris Wallner

von Doris Wallner

Story

Dem Pinzgauer an sich sagt man ja einen gewissen Hang zur Mundfaulheit nach.

Er erkundigt sich mit „Sogga?“ nach dem werten Befinden seines geschĂ€tzten GegenĂŒbers, bringt mit „Ha?“ sein akutes akustisches oder inhaltliches Nichtverstehen zum Ausdruck und tut sein Wohlgefallen an einer Sache mit „Nit lĂ„b!“ kund, welches er gegebenenfalls noch zu ĂŒberbordender Begeisterung steigert mit „Jo, neama lĂ„b!“

Soweit, so bekannt.

Dass der Pinzgauer aber nicht nur an Worten spart, sondern sogar an Konsonanten, ja, dass es einem Pinzgauer möglich ist, fast ausschließlich mit einer Handvoll Vokalen ganze SĂ€tze, ja fast Universen, auszudrĂŒcken, das wussten bis jetzt nur „Eingeweihte“.

Ein paar Beispiele gefÀllig?

Ein gebĂŒrtiger Krimmler besucht seine Mutter ebendort und nach einer Weile schickt sich diese an, eine Jause herzurichten. Sie stellt Brot auf den Tisch, KĂ€se und was halt sonst noch zu einer guten Jause gehört und fragt ihren Sohn schließlich, ob er auch ein Ei dazu haben wolle. Der sagt daraufhin, dass sie sich nur wegen ihm die MĂŒhe nicht machen mĂŒsse, extra ein Ei zu kochen. Darauf meint sie:

„Gu, iß a eh i a a Oa!“ [Mach dir keine Sorgen, ich esse doch ohnehin auch ein Ei!]

Der oben erwÀhnte Krimmler ist an einem Samstagnachmittag wieder einmal in seinem Elternhaus etwas oberhalb des Ortes zu Besuch und als er sich spÀter anschickt, sich zu verabschieden, weil er noch in die Abendmesse wolle, bittet ihn seine Mutter:

„Boat! Geh a eh i a Ă„e!“ [Warte! Ich gehe doch ohnehin auch hinunter!]

Zwei sind gemeinsam unterwegs, plötzlich bemerkt der eine beunruhigt, dass er seine Uhr nicht mithabe und deswegen Gefahr laufe, die Zeit zu ĂŒbersehen. Darauf meint der andere gelassen:

„Gu, hu a eh i a a U uie!“ [Mach dir keine Sorgen, ich trage doch ohnehin auch eine Uhr (habe doch ohnehin auch eine Uhr an)!]

FĂŒr einen „eingeborenen“ Pinzgauer ist so etwas natĂŒrlich nichts Besonderes, sondern, im wahrsten Sinne des Wortes, selbst-verstĂ€ndlich. Und was zwischen den Zeilen, in dem Fall: Buchstaben, noch herauszuhören ist, ist ihm ebenso klar.

FĂŒr „Zuagroaste“ oder gar fĂŒr Touristen, die ja auch recht zahlreich in diese Gegend kommen, kann sich so etwas dann mitunter schon recht eigenartig anhören, vor allem, da die einzelnen „Wörter“ nicht voneinander abgesetzt ausgesprochen, sondern „in einer Wurscht“ zusammengehĂ€ngt werden.

Also:

„GuißaeiaaOa!“

„Boat! GeaeiaĂ„e!“

„GuhuaeiaaUuie!“

Woher jetzt allerdings diese böswillige Unterstellung kommt, der Pinzgauer sei mundfaul, ist mir wirklich ein RÀtsel.

Er ist doch lediglich: effektiv.

© Doris Wallner 2020-05-14