von Alma Kaden
Vor einiger Zeit saß ich am Strand und lauschte dem Rhythmus der Wellen. Sanft wehte mir die Meeresluft um die Nasen und ich schloss die Augen. Da hörte ich plötzlich ein anderes Geräusch: Eine Möwe flog über mich hinweg und hatte etwas im Schnabel. Sie setzte sich unweit von mir hin und ließ den Gegenstand in ihrem Schnabel fallen. Auch sie sah so aus, als würde sie dem leisen Rauschen des Windes lauschen. Der Schrei einer anderen Möwe gellte durch die Luft und sie flog wieder weg, doch den Gegenstand hatte sie im Sand liegen lassen. Neugierig stand ich auf und betrachtete ihn. Es war eine ziemlich große, schneckenhausförmige Muschel. Vorsichtig hob ich sie auf und blickte in die Öffnung an ihrer unteren Seite. Die Muschel war hohl und roch nach Salzwasser. Wahrscheinlich hatte die Möwe sie sich aus dem Meer geholt ihren Inhalt im Flug verspeist. Ich hielt mir die Muschel ans Ohr und hörte in ihr ein Rauschen, ähnlich dem des Windes und der Wellen. Ich fragte mich, wie dieses Rauschen wohl zustande gekommen war. War es ein Echo des Meeres oder hatte es etwas mit dem Hohlraum zu tun. Ich schaute wieder aufs Meer hinaus und stellte mir weitere Fragen: Hat alles in der Natur seine eigene Melodie? Und woher kommt sie? Ich sah mich am Strand um. Die Möwen kreischten und erzeugten surrende Geräusche mit ihren Flügeln, die Wellen brausten über das Meer und der Sand rieselte durch meine Finger. Keines dieser Geräusche kannte ich von irgendeinem anderen Gegenstand oder Tier. Doch brauchte man noch das Rauschen des Windes, wenn es auch in der Muschel existierte? Erneut schloss ich die Augen. Wieso gefiel das Geräusch mir und den Möwen eigentlich so? Wie auf Kommando kam eine kleine Brise auf und ich verstand, wieso: Ich mochte das Geräusch des Windes so, weil es bedeute, dass ich am Strand saß, mir die Haare aus dem Gesicht geweht wurden und ein angenehm sommerliches Gefühl in mir aufstieg. Ein erneutes Rascheln war neben mir zu hören. Die Möwe war wieder da und suchte nach der Muschel, die jetzt in meiner Hand lag. „Darf ich sie behalten? Sie ist schließlich leer. Oder willst du sie wiederhaben?“, fragte ich sie freundlich. Die Möwe schien sich nicht mehr für ihre Muschel zu interessieren. Sie schwang sich wieder in die Lüfte, um nach einer neuen Muschel zu sehen. Ich lehnte mich zurück und merkte plötzlich, dass der Wind aufgehört hatte. Schade! Doch dann fiel mir die Muschel ein und ich musste Lächeln. Ich hielt sie mir an die Ohren und lauschte dem Hit der Meere erneut. Nur dieses Mal mit Kopfhörern.
© Alma Kaden 2024-08-23