von Franz Herzog
Vor vielen Jahren haben wir in HĂșsafell im SĂŒdwesten Islands versucht, den Bildhauer und Maler PĂĄll Guðmundsson aufzuspĂŒren. Seine Geschichte, die wir in einem Bergmagazin entdeckten, machte uns neugierig. Bei einem kleinen blauen Haus klopfen wir an die TĂŒr und ich frage, ob PĂĄll Guðmundsson zu Hause sei. Der Mann antwortet: âI am PĂĄll Guðmundssonâ und fragt uns, ob er uns seine âStone Harpâ zeigen soll. Wir sind natĂŒrlich erfreut und er lĂ€sst sich sogar filmen. Der Mann trĂ€gt einen blauen Pullover mit islĂ€ndischem Muster und eine ZipfelmĂŒtze. Sein Instrument hat er in einem in den Berg hinein gebauten Schuppen, der sein Atelier ist. Bereitwillig spielt er ein StĂŒck von Bach und ein islĂ€ndisches Lied, zeigt uns, wie man die vier Schlegel hĂ€lt (z.B. Stevenâs Grip) und stellt uns den Klang von verschiedenen Steinplatten vor.
Im Hintergrund hÀngt eine riesige Malerei der Gruppe Sigur Rós, mit der er bereits auf einer Konzerttour in Paris und in der Royal Albert Hall in London gespielt hat.
Seit einigen Jahren hat sich PĂĄll ganz der Musik verschrieben. Auf diesem eher ungewöhnlichen selbst gebautem Instrument, fĂŒr das ihm die islĂ€ndischen Berge ihre KlĂ€nge beisteuerten. Es ist eine Art Xylophon mit lauter tönenden Natursteinplatten. PĂĄll nennt sie die âSteinharfe“. Er musste zehn Jahre lang suchen, bis er die Tonleitern in Dur und Moll beisammen hatte. Seine Nichte, die ein absolutes Gehör haben soll, war ihm dabei eine unverzichtbare Hilfe.
Und nun ĂŒbt er jeden Tag bis zu sechs Stunden. Der weiche Klang der auf den umliegenden Bergen gesammelten Steinplatten ist von einer ganz eigentĂŒmlichen QualitĂ€t, die uns gleich in ihren Bann zieht. PĂĄll spielt uns StĂŒcke aus der Musikliteratur und eigene Kompositionen vor.
Bereits im Garten bewundern wir seine Bildhauerarbeiten. Einige sind als Felsskulpturen an verschiedenen Orten in Island aufgestellt. PĂĄll sieht im Stein schon die Gesichter, die er dann herausarbeitet, Gesichter und Gestalten aus VolksmĂ€rchen und Sagen. Der NaturkĂŒnstler malt auch auf gespaltenen Steinplatten, klappt man die beiden HĂ€lften auseinander, wird das Bild sichtbar.
Ungewöhnlich auch einer seiner Ausstellungsorte, die Lavahöhle Surtshellir in Hallmundarhraun, wo er Naturmotive aus Island platzierte. Die kĂŒnstlerischen Ideen PĂĄll Guðmundsons haben immer mit der rauhen Natur Islands zu tun, ob sie nun Malerei, bildende Kunst oder Musik hervorbringen, wie seine Panflöten aus Rhabarberstengeln.
Ist es nicht erstaunlich, dass ein bekannter islĂ€ndischer KĂŒnstler zwei völlig fremden Menschen fast zwei Stunden seiner Zeit widmet? Zum Abschied schenkt er uns einen signierten geritzten Stein und wir tauschen die Adressen aus. Dann sagt er noch: âIch kann mir nur vorstellen in Island zu leben, hier bin ich eins mit der Landschaft. Das ist ganz wichtig fĂŒr meine Arbeit.â
© Franz Herzog 2021-02-08