Mutters Tag

MelBAnders

von MelBAnders

Story

Meine Mutter ist nicht Einstein. Meine Mutter ist kein ausgefuchstes Genie, kein Mode-Guru und kein Trendsetter und wenn sie zwischen neunundneunzig anderen Personen stehen würde, wäre sie für die meisten Menschen ein unscheinbares Individuum im Mittelmaß. Sie fällt nicht weiter auf und drängt sich nicht vor, aber sie kann auf Erfahrungen zurückgreifen, wie nur Mütter sie erleben und wenn es eine Sache gibt, die ich von meiner Mutter gelernt habe, dann ist es Folgendes:

Man kann nicht mit einem einzigen guten Tag 364 beschissene Tage wieder aufwiegen.

Diese Erfindung, Muttertag, ist ein perfides Miststück, das einen dazu verleitet, zu glauben, dass man mit einem Strauß Blumen und einer Schachtel Pralinen ein Jahr voller Streit und Desinteresse wiedergutmachen könnte, aber dem ist nicht so.

„Wenn du mich den Rest des Jahres nicht wertschätzen kannst, dann brauchst du damit am Muttertag auch nicht anzufangen.“ – Wie Recht sie damit hat!

Muttersein ist, von außen betrachtet, ein Fulltimejob. Da hat man nicht mal ‚keine Zeit‘ oder ‚keine Lust‘ und da gibt’s keine Zwei-Wochen-Rückgabegarantie und kein kündbares Monatsabo. Muttersein ist hart, ist nervenaufreibend, ist eine Aufgabe fürs Leben. Als Mutter muss man viel leisten und viel einstecken können und der Dank sei dir gewiss – oder eben auch nicht. Muttersein ist mehr als Sex haben und Kind kriegen. Muttersein ist Kummerkasten und Punchingball und erste Anlaufstelle in allen Lebenslagen sein in einem – und noch vieles mehr. Als Mutter muss man umsorgen und alles Lebensnotwendige besorgen und hin und wieder dafür sorgen, dass das Kind vor Peinlichkeit rot anläuft.

Check, check und check.

Für andere Menschen mag meine Mutter nur eine von vielen sein, aber für mich ist sie alles, die Beste – und das von Neujahr bis Silvester, jedes Jahr aufs Neue. Sie hilft mir weiter, wenn ich nicht weiterweiß, hört mir zu, wenn ich mich auskotzen muss und baut mich auf, wenn ich ganz unten angekommen bin.

Und für all das bin ich ihr unendlich dankbar!

Sicher lasse ich mich vom Muttertags-Mythos verleiten und kaufe Blumen und Pralinen, aber das ist nicht alles. Ich bin jetzt in einem Alter, in dem ich etwas zurückgeben kann. Jetzt kann ich zuhören, jetzt kann ich mithelfen, jetzt kann ich mal Boxsack sein, wenn ihr alles zu viel wird. Ich benehme mich zwar noch immer wie ein unreifes Gör, aber ich bin nur noch in Teilzeit ein Kind und am wichtigsten – ich sehe nichts als selbstverständlich an. Ich sage Danke, weil es sich so gehört und ich sage Danke, weil es kein anderes Wort auf dieser Welt gibt, das auch nur annähernd beschreiben könnte, wie viel sie mir bedeutet und wie dankbar ich ihr bin.

Meine Mutter ist vielleicht nur eine Mutter, aber für mich ist sie die Eine und ich würde keine andere haben wollen – weder am Muttertag noch an irgendeinem der anderen 364 Tage im Jahr.

© MelBAnders 2022-05-04

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