Muttertag

Michaela Schmitz

von Michaela Schmitz

Story
Neulengbach 2025

Ach ja, es war Muttertag. Glücklicherweise haben wir diesen nie so ganz intensiv gefeiert. Es ist ja eigentlich jeder Tag Muttertag, da muss nicht extra ein Tag herausgehoben werden. Emil und Daniel waren mit mir schon am Samstag im Weingartl in Neulengbach essen. Ich hatte einen Tisch für vier bestellt – falls noch wer dazu kommt. Und dann waren wir doch ’nur‘ zu dritt. „Entschuldigung, wir sind doch nur zu dritt“ – einer fehlt – Zufall oder Absicht. Es war ein schöner Abend. Wenn ich mit meinen zwei Jungs unterwegs bin, da ist es so, als wären sie immer noch drei Jungs – wir zu viert. Auch wenn SEBI offensichtlich nicht dabei ist, fühlt es sich an, als wären wir immer noch alle zusammen unterwegs. Was ist Leben, was ist Tod? Und was sind die Schattierungen dazwischen?

Ich lese derzeit sehr viele Bücher, über seltene Erkrankungen und Patient:innen und ihren Geschichten, über den Tod und das Leben. Ein Buch ist ‚Es lebe der Tod‘ von Dr. Rudolf Likar, Dr. Georg Printer, Dr. Herbert Janig, Dr. Thomas Frühwald, Dr. Karl Cernic. Da lese ich ‚der Tod ist kein Fallbeil, sondern eine Tür‘. Und ich lese von der Bestattung Lichtblick aus Neulengbach. Und ich lese davon, dass der Tod nicht das Ende, sondern ein neuer Anfang ist. Und ich lese davon, was Menschen am Ende ihres Lebens wirklich wichtig ist.

Was ist uns wichtig? Was lenkt uns ab? Wo gilt es loszulassen, wo ist Kampfgeist und Dagegenhalten angesagt? Wie immer derzeit – es gibt mehr Fragen als passende Antworten. Jeder Tag ist ein neues Experiment, dem Ursprung und dem Sinn des Lebens näherzukommen.

Ich stehe in der Früh auf, ich frühstücke, ich mache mich für den Tag fertig, ich sortiere meine Arbeiten und arbeite meine Aufträge nach der Liste ab. Zwischendurch denke ich nach – über den Tod und das Leben. Es ist nicht mehr von mir trennbar. Jede Aufgabe, die sich mir stellt, wird dahingehend geprüft, ob sie Sinn macht oder ob sie dem täglichen Hamsterrad dient. Ich bin heute am Balkon gesessen und habe die Wolken bewundert und die Sonne genossen. Sitzt SEBI auf Wolke 7 und schaut uns zu? Es ist mir klar, dass mein Leben nie mehr ohne den Tod von Sebastian sein wird. Es gibt kein Entkommen. So wie sein Leben, so ist auch sein Tod ein Teil meiner Lebensgeschichte. Wie ich das in mein Hirn verpacke, weiß ich noch nicht – noch muss ich mir jeden Tag am Morgen sagen: ach ja, SEBI ist tot.

Übrigens – am Muttertag waren Emil, Daniel und ich bei MC Donalds frühstücken – da stand doch wirklich SEBIs Alfa bei MC Donalds. Es war SEIN Alfa, den er zu Schrott gefahren hatte und den ein Bekannter über einen Bekannten dann gekauft hatte. Zufall? Egal! Mit dem Alfa beim gemeinsamen Frühstück schwingt die Erinnerung mit – die Erinnerung an 27 Jahre zusammen sein. 27 Jahre, die wir gemeinsam verbracht haben – die Erinnerung daran erlischt nie. Und die Liebe auch nicht.

*Erinnerungen* Alles wie immer, nichts mehr wie es war. (Ursula Leutgöb)

© Michaela Schmitz 2025-05-12

Genres
Lebenshilfe
Stimmung
Herausfordernd, Emotional, Hoffnungsvoll
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