Muttertag: Der Hang hinter unserem Haus

Schattenseitenpoesie

von Schattenseitenpoesie

Story

Hinter meinem Elternhaus führt ein Weg hinaus zu Feldern und Wiesen. Heute ist Muttertag. Ich war gerade zu Besuch auf Kaffee und hab Blumen und Kuchen mitgebracht. Wir haben uns gut unterhalten und ich habe gescherzt, wie immer. Danach ging ich noch allein den Weg hinaus, vorbei am mit Kräutern und Blumen bewachsenen Obstbaumhang. Ich packte aus meinem Rucksack eine kleine Decke aus und setzte mich in die Wiese, um die wenigen Sonnenstrahlen, die der Tag erlaubte, einzufangen und in Sommersprossen zu konservieren. Dabei hab ich zwischen Ampfern und Spitzwegerich erst bemerkt, wie traurig ich heute bin.

Warum, kann ich mir selbst nicht ganz erklären. Heute ist einer dieser Tage, an denen ich einfach losweinen könnte. Ich fühl mich allein und auf eine unangenehme Weise vom Leben enttäuscht. Grillen zirpen festlich und es duftet wunderbar nach Gras. Es ist meine Lieblingsjahreszeit. Mir fällt auf, dass der Löwenzahn bereits verblüht ist. Für mich ist es im Frühling eines der schönsten Dinge, wenn die Wiesen ganz gelb strahlen und voller Löwenzahn sind. Leider verblüht diese Pflanze so schnell. “ So vergänglich“, denke ich.

„Ich wäre auch gerne eine Mutter“, kommt es mir plötzlich in den Sinn. Mein innerer Monolog hat sich selbst einige Schweigeminuten für diesen Gedanken unterbrochen. Ich bin erschrocken über diese Erkenntnis. Dann fällt es mir auf, dass ich immer wieder in meinem Leben an denselben Punkt gerate und mich dann so fühle, wie heute. Traurig und enttäuscht. Ich habe das Gefühl, ich stehe auf derselben Stelle wie schon so oft, als würde ich mich im Kreis bewegen. Anders als sonst, ist einzig das stärker werdende Gefühl von Müdigkeit.

Der Wind zeigt sich heute wieder von seiner besten Seite und lässt um mich herum den verblühten Löwenzahn in der Luft tanzen. Er erinnert mich an die Fallschirmspringer, die ich vorgestern bei ihren ersten Sprüngen dieses Jahr beobachtet habe. Wie vergänglich doch alles ist und doch wiederkehrend. Ich denke an meine Mutter und daran, wie lieb ich sie habe. Dank Corona konnte ich sie heute nicht einmal in die Arme schließen. Eine Träne tropft von meinem Gesicht und rollt in die Erdhöhle einer Grille.

„Alles wird wieder gut“, denke ich mir, halte mich dabei selbst fest an den Armen und fühle mich plötzlich ein kleines Stück weniger einsam.

© Schattenseitenpoesie 2020-05-10

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