von Renate Nowak
Weihnachten 1949, ich 5 Jahre alt und die Spuren der Nachkriegszeit waren allgegenwärtig. In Horn ausgebombt, hatten sich meine Eltern nach Wien durchgeschlagen.
Sie kamen vom Regen in die Traufe, was die Wohnungsnot betraf. Ein Sommerhäuschen am Heuberg, von Verwandten angeboten wurde dankbar angenommen. Zwar gab es im Winter nur Wasser von einem etwas entfernt gelegenen Brunnen, aber sonst, war dieses Holzhäuschen ein sehr gemütliches Domizil.
Meine Mutter sorgte geschickt für eine hübsche, wohlige Atmosphäre und Papas handwerkliches Können half uns über die mangelhafte Einrichtung hinweg.
Im Winter meterhoher Schnee. Kaum war der kleine Weg bis zur Straße freigeschaufelt, gab’s von oben bereits Nachschlag. Ich war selig und fieberte dem Heiligen Abend entgegen.
Endlich war es so weit. Heimlich hatten meine Eltern ein krummes, schwachästiges Bäumchen aus dem Wald geholt. Was Papa mit Säge, Bohrer und einigen Ästen daraus fabrizierte, war preisverdächtig. Doch dies erkannte ich erst Jahre später. Ich war nur besorgt, ob mich das Christkind in der verlassenen Siedlung auch finden würde. Den Wunschzettel hatten die Engel zwar geholt, doch Zweifel blieben…
Um das Christkind nicht zu stören, war ein Spaziergang mit Papa angesagt, hoffend, vielleicht draußen das Christkind kurz zu sehen. Warm eingepackt folgte ich Papa bergan, zu einer Lichtung am Waldrand. Meine kleine Faust warm umschlossen und Raureif auf dem vorwitzigen Haarschopf, der aus meiner Mütze lugte.
Die Nacht war kalt und sternenklar. Die Lichter der Großstadt lagen unter und der die Pracht des Sternenteppichs über uns. Wie das funkelte und glänzte.
Da sah ich am Waldrand einen weißen zarten Schleier, gerade dort, wo die Sterne besonders hell funkelten. Mir blieb fast das Herz stehen! „Das Christkind!!!“ Ich stand erstarrt und als ich endlich stotternd meinen Vater darauf hinweisen konnte, war das Phänomen schon verschwunden.
Papa hörte lächelnd meine Schilderung an und meinte dann mit ernster liebevoller Stimme: „Das Christkind, mein Liebes, sehen nur ganz wenige auserwählte Menschen!“
Es war Zeit, nach Hause zu gehen. Das Christkind sollte schon fertig sein. Da gab es kein Halten mehr. Ungeduldig schleppte ich Papa durch den Schnee hinter mir her und meine Nase und Wangen glĂĽhten, als wir daheim anlangten.
Atemlos erzählte ich meiner Mutter mit glänzenden Augen mein Erlebnis. „Wunderschön! Aber jetzt schnell ausziehen, jeden Moment kann das Glöckchen klingeln!“
Das Glöckchen rief mich noch oft zur Bescherung. Aber nie wieder habe ich den Heiligen Abend so intensiv erlebt. Auch wenn mein „ach so gebildeter Verstand“ mir heute versichert, dass mir damals natürlich meine überreizte Fantasie ein Trugbild in Form eines Nebelstreifes vorgetäuscht hat, lasse ich es mir doch ganz tief in meinem Herzen nicht nehmen: „Einmal – einmal in meinem Leben – habe ich das Christkind gesehen und dies passiert nur ganz wenigen auserwählten Menschen!“.
© Renate Nowak 2020-12-02