Mit der alljährlich – von wem eigentlich? – angeordneten Mutterverehrung kann ich gar nichts anfangen. Ich lehne das für mich strikt ab, denn ich wüsste nicht, wofür mir mein Sohn so besonders dankbar sein sollte.
Er hat nicht von uns verlangt, dass wir ihn in die Welt setzen. Kinder werden ungefragt gezeugt und geboren und ob sie darüber froh sein sollen, ist ohnehin ein ganz anderes Thema. Und dass er mit uns als Eltern wahrscheinlich Glück hatte, ist vielen Faktoren geschuldet, nicht zuletzt der Tatsache, dass unser Land einem immer noch die Möglichkeit bietet, ein Kind unter bestmöglichen Bedingungen aufzuziehen.
Was ich für meinen Sohn getan habe, habe ich zwar freiwillig und gerne getan, aber vor allem war es auch meine Pflicht, denn Eltern haben zuerst einmal Pflichten gegenüber ihren Kindern und nicht umgekehrt. Natürlich ist es schön, wenn man das Gefühl hat, mit dem Kind manches gut und richtig gemacht zu haben, aber das Kind deshalb dazu zu verdonnern, der Mutter ein Leben lang dankbar zu sein, ist nicht mein Standpunkt. Vielmehr bin ich ihm dankbar, dass er genau so ist, wie er ist, und das sage ich ihm auch.
Mir selbst hat der Muttertag, solange meine Mutter gelebt hat, alljährlich ziemliche Qualen und Bauchschmerzen bereitet, denn sie wollte ordnungsgemäß verehrt werden und hätte es als Affront angesehen, wenn ich das vorgesehene Programm – auch hier wieder die Frage: von wem vorgesehen? – mit Pflichtbesuch, Blümchen und Geschenk nicht brav abgespult hätte.
Aber dann kam die schwierige Zeit, als ich schon selbst Mutter und zugleich immer noch Tochter war. Ich sagte meiner Mutter zwar sehr deutlich, dass ich diese muttertägliche Verehrung für mich total ablehnte und sie meinem Sohn niemals abverlangen würde, aber da sie immer nur ihre eigene Meinung gelten ließ, drückte sie meinem armen Kleinen, der sehr bald wusste, wie ich zu diesen Dingen stand, unbarmherzig ein Geschenk für mich in die Hand, das er mir überreichen musste. Ich sagte ihm schon vorher immer, dass er es eben so machen solle, wie seine Großmutter es wollte, weil alles andere ohnehin nicht geholfen hätte und ich ihm nicht böse sei, weil er mein Muttertagsverbot dadurch quasi missachtete. So spielten wir das Theaterstück eben für meine Mutter und sie war damit zufrieden, obwohl sie genau wusste, wie sehr ich es hasste. Ihr eigener Standpunkt war der stets alleingültige, während ich mit dem Spagat, den ich immer zu vollführen hatte, fast schon zirkusreif war.
Heute wird der Muttertag in unserer Familie total ignoriert bzw. höchstens belächelt, weil man dem Kaufdiktat in sämtlichen Medien ja nicht entgeht. Mein Mann teilt meine Ansicht zum Glück, denn seine Mutter hielt auch nichts vom Muttertag. Und unsere aus Russland stammende Schwiegertochter kennt den Muttertag in unserer Form kaum, denn in Russland feiert man am 8. März den Weltfrauentag für alle Frauen, und so wird das Problem zum Glück nicht mehr in die nächste Generation weitergetragen werden.
© 2022-05-09