von Gabriele Koubek
Das riesige Kunstwerk von Adolf Frohner in der U-Bahn Station unter dem Europaplatz will ich mir nicht entgehen lassen.
Hier kann jeder, ohne auch nur einen Cent Eintritt zu bezahlen, das sicher beeindruckendste bildhauerische Werk Frohners betrachten.
In der Station Westbahnhof verlasse ich die U3 und gehe ins Zwischengeschoss der U3 und der U6.
Melancholische Musik empfängt mich.
Ein Akkordeon Spieler hat seinen Sessel und seinen Hut direkt vor dem Glasgeländer, das das Kunstwerk vor Vandalen schützt, aufgebaut.
Einige Leute stehen im Halbkreis und lauschen der Musik. Münzen wandern in den Hut.
Da das Frohner Fries fast 40 Meter lang ist, beginne ich mit meiner Betrachtung an einem Ende und flaniere gemächlich zum anderen Ende.
Es ist gar nicht leicht sich gegen den Sog der vorbeieilenden Passanten zu behaupten.
„55 Schritte durch Europa“ ist der Name des 1993 aufgestellten Werkes.
Frohner verarbeitete die Menschheitsgeschichte aus europäischer Sicht von der Höhlenmalerei über das Römische Weltreich und der Kreuzzüge bis hin zur Rationalität der Moderne in Form einer perfekten Kugel.
Er verwendete verschiedenste Materialien und Techniken, sodass man beim entlang Spazieren ständig Neues, viel Interessantes und so manch Provozierendes entdeckt.
Wenn der Akkordeonspieler eine Pause macht, kann man auch die, speziell für das Frohner Fries komponierte, avantgardistische Musik der Improvisationsjazzband „Reform Art Unit“ des Wieners Fritz Novotny hören.
Adolf Frohner lebte von 1934 bis 2007 und gehört zu den wichtigsten Repräsentanten der modernen österreichischen Malerei.
Kunst war für ihn kein ästhetischer Rückzugsort, sondern ein Mittel zur Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Realität.
Durch seine Installation am Westbahnhof hat er auch im öffentlichen Raum bedeutende künstlerische Spuren hinterlassen.
Sein Vermächtnis lebt im Frohner Forum Krems weiter. Nach dem Wunsch des Künstlers wurde hier eine Ausstellungsplattform und ein Ort der Begegnung geschaffen. Den Spatenstich dazu machte Frohner noch selbst, seine Eröffnung aber hat er nicht mehr erlebt.
Dieses Forum wird sicher eines meiner nächsten Ausflugsziele, auch wenn noch keine U-Bahn nach Krems-Stein fährt.
© Gabriele Koubek 2023-07-02