von Harald Wieser
Beruf als Obsession, das ist leider viel zu einfach, auch in einem derart asozialen Fall. Wieder morgens, unruhig. Die wiederum gegenteiligen Gedanken zur Tatsache, dass endlich einmal nicht dauernd alles nur angedeutet werden soll, indirekt dargestellt, dass das nervt, dass das eine ganz eigene, eigentlich sogar besonders eklige Sorte von Oberflächlichkeit schafft, die ich doch sonst bekämpfe, wo ich sie finde. Direkt sprechen. Aber wie? Ich kann einfach nicht so rausrocken, in diesem Fall. Warum eigentlich? Warum nicht? Ich kann ja auch in echt nicht so befreit drauflos quatschen, habe das schon erlebt, wie man das von mir will, und ich erschreckt zurückzucke. Gut, es geht ja um nichts. Trotzdem. Warum darf es denn partout keine Offenheit geben? Das Problem ist doch eher das Bestehen einer Welt und deren Selbstverständlichkeit. Alles andere folgt von selbst. Klein, leicht, schnell. Kurz, heiter, komisch. Nur das Thema wäre in jeder Hinsicht genau das Gegenteil. Abends schaut so vieles falsch aus, morgen früh weiß man mehr. Und in einer Woche kommt einem das morgen früh vielleicht für okay Befundene dann plötzlich wiederum wie ein völlig unbegreiflicher Zusammenbruch aller Urteilskräfte vor.
Entspanntheit: Ist dann doch die Hölle. So darf man nicht werden, sagen sie, so frei von oben hin, verfügend über alle Register. Erwachsensein im fratzenhaftesten Sinn. Das tritt dann hervor, wenn sich die eigentlich extrem wirre Bestimmungsstruktur so sehr ordnet, dass sie in der ihrer-selbst-Gewissheits-Gestalt dominant wird. Einige schon ein bisschen ältere junge Typen, die zu dritt auf acht Plätzen sitzen wollen und erst schlau daherreden. Diesen Dialog über mich. Wie ich kurz neben ihnen sitzen darf und mich dann aber doch auch noch hören lassen wollen. Sie ermöglichen eine scheinbar spielerische Bearbeitung von Irritationen und Aversionen. Am Schluss schämt sich der, der das Böse gesagt hat, dann aber beleidigt ist, weil er verstanden hat, selbst das Böse zu sein. Ich hatte zu freundlich geschaut. Nach zwanzig Minuten trennt man sich und alle sind kein Schrittchen weiter gekommen. Wenn ich es nicht hätte sagen dürfen, wenn es mir als allzu verboten vorgekommen wäre, wäre ein kleiner Effekt nach vorne entstanden, vielleicht. Im Nachhinein erkenntnistheoretisch nicht möglich. Kein noch so begabter Dramatiker hätte es besser inszenieren können. Wir fahren fort, irgendwie. Leere und Weite: Sehnsuchtsworte der Traumzeit. Und in den Ecken und Kanten muss gar nichts passieren, weil in der Mitte so viel Platz ist. Die Farbe Rosa meiner Brille machte mir auf eine geradezu perverse Art gute Laune. Die kaputten alten Männer schauten manchmal ein bisschen komisch, erst fanden sie es gut und ich ein wenig lustig, dann ließ ich den Schein weg. Schließlich habe ich ihren Pelz vorne in der Mitte aufgeschnitten und das stinkende Innere zutage befördert. Nur richtiges Vernichtungs-Wegschmeißen wird hier noch helfen.
© Harald Wieser 2021-02-25