Meine Lunge brennt bei jedem Atemzug und mein rechter Knöchel pocht im Rhythmus meines Pulses, seit ich über die hervorstehende Wurzel gestolpert bin, die aus dem Boden ragte. Es ist aber auch dunkel. Gordon würde sagen, wie im Bärenarsch. Ein keuchendes Lachen entrinnt meiner Kehle, während ich weiter renne. Da vorn sehe ich die weiße Kapuze wieder. Zum Glück hat dieses Miststück keine dunklen Klamotten an. Für meinen Geschmack nur zu viel Ausdauer. Scheiße, irgendwann muss ihr doch die Puste ausgehen, sonst geht sie mir aus. Hätte ich mal mehr trainiert. Quatsch, überhaupt trainiert und diese abartigen Haferflocken gegessen. Jetzt hängt meine Wampe über den Gürtel, jede Pore an mir scheint Schweiß abzusondern, meine Haare kleben an der Stirn und im Nacken. Ich schweife gedanklich ab und meine Schritte werden träge. Ich will mich gern hinlegen und die letzten Stunden vergessen. Die weiße Kapuze. Wo ist sie? Scheiße, scheiße, scheiße! Gordon bringt mich um, wenn ich sie nicht umbringe, oder zumindest zurückbringe. Gehetzt fliegen meine Augen hin und her, ich drehe mich im Kreis, verliere meine Orientierung. Ich streiche mir den Schweiß aus dem Gesicht und stütze meine Hände auf die Knie ab. Die Lunge feuert immer noch wie Sau. Wut steigt in mir auf. Nicht auf sie, eher auf Gordon. Auf seinen scheiß Plan, auf die ganze Idee und auf mich, weil ich so blöd war und mich hab breitschlagen lassen. Ein Ast knackt. Ha! Nicht nur ich bin blöd, sie ist blöder. Ich denke an ihr angstverzerrtes Gesicht vorhin und muss grinsen. Als müsste sie vor mir Angst haben. Vielleicht vor Gordon, der ist irgendwie unberechenbar, seit der die Tussi aus dem Club mit ins Waldhäuschen gebracht hat. Ich merke, wie mir langsam die Angst den Nacken hinauf kriecht. Es nützt nichts, ich gehe langsam weiter, in die Richtung, aus der das Geräusch an mein Ohr gedrungen ist. Im Schutz der Dunkelheit und der Bäume muss ich doch noch eine Chance haben der Schlampe wieder auf die Spur zu kommen. Plötzlich spüre ich einen dumpfen Schmerz in der Nierengegend. Ich will mir an den Rücken fassen, werde aber im selben Moment nach unten gerissen. Die Intensität des Schmerzes erstickt meinen Aufschrei. Scheiße, was war das? Ich will mich aufstützen, aber ein Gewicht drückt auf meinen Körper, ich kann meine Arme nicht befreien. „Halt still Fettsack!“ Das kann nicht sein, war das die raue Stimme der Kleinen? Wo kommt sie her? Das Geräusch … Sie war doch gerade … Meine Gedanken überschlagen sich, ich wende meinen Kopf zur Seite und sehe, dass der Mond zwischen den Wolken hervorgetreten ist und den Wald nun in ein gespenstisches Licht taucht. Konzentrier‘ dich Maik, ermahne ich mich. Ich will mich aufbäumen, aber sie sitzt so ungünstig auf mir, dass ich sie nicht einfach abwerfen kann. Ich schwöre mir, endlich Sport zu machen und Gordon zusammenzustauchen, wenn das hier vorbei ist. Ich keuche bei einem erneuten Anlauf auf mich zu befreien, da spüre ich ein Kratzen an meinem Hals und einen drückenden Schmerz, als sich ein Strick langsam in meine Haut bohrt. Die weiße Kapuzenjacke fällt mir ein! Ich würge, huste, schnappe nach Luft. Meine Arme klemmen immer noch unter ihren Knien fest, ich rudere damit. Mir wird schwarz vor Augen, ich komme zu mir, bunte Punkte vor meinen Augen, Pfeifton in meinen Ohren. Ich höre einen Kauz rufen, sie vor Anstrengung aufschluchzen und ein Gurgeln, was von meiner Kehle kommen muss. Stille.
© Constanze Woidschützke 2024-07-20