von Lorenz Graf
Es sind wunderschöne Herbsttage. Schon am Morgen leuchtet die Sonne beim Fenster herein und lockt auch Langschläfer, wie mich, aus dem Bett. Da wir auf über 1000 Meter Seehöhe wohnen, gibt es keinen Nebel.
Das ganze Land mit seinen Bergen, Wiesen und Wäldern ist in ein zauberhaftes Licht getaucht, das sich bis zum Abend hin faszinierend verändert. Über alles spannt sich der tiefblaue Himmel.
Im Garten gibt es jetzt einiges zu tun.
Am liebsten aber ist mir das Ernten: Brombeeren, Äpfel, Kartoffel, Kriecherl, Holunderbeeren und Haselnüsse.
Allzu groß ist hier im Gebirge die Auswahl ja nicht, dafür ist man freudig überrascht, was doch noch alles wächst und erntereif wird. Es ist nicht die übliche verschwenderische Fülle, eher ein Suchen nach verborgenen Schätzen. Und das hat einen besonderen Reiz.
Was ganz gut gedeiht, sind Schnittlauch, Salate und verschiedene Gewürzpflanzen. Aber das ist das Reich meiner lieben Frau.
Das Problem für die Pflanzen ist ja weniger die Kälte. Natürlich haben da viele Nutzpflanzen und Obstbäume ihre Beschränkungen. Weh tut den Pflanzen die lange Finsternis. Oft sind sie von Anfang November bis weit in den Mai hinein unter einer Schneedecke gefangen.
Dennoch macht die Ernte der wenigen Früchte viel Freude. Es hat den Reiz des Spieles mit Verstecken und Suchen. Wer kann sich heute noch den Luxus eines Versteckenspiels aus der Kindheit gönnen?
Es gibt aber auch sonst noch allerhand Arbeiten im Garten. So sollen Sträucher und Bäume zurückgeschnitten werden, damit sie den Schneedruck besser überstehen. Äste und Laub landen auf einem großen Haufen, in dem dann Igel, Kröten und viele andere Lebewesen Winterquartier beziehen können.
Mindestens zweimal am Tag und einmal am Abend gehen meine Frau und ich ins Haus und ziehen uns nackt aus. Die Gelüste der stürmischen Jugendzeit sind es nicht mehr, die uns dazu bewegen. Es ist die Vorsichtigkeit des Alters. Gegenseitig suchen wir uns nach Zecken ab.
Gegen FSME, die Frühsommer-Meningoenzephalitis, eine Gehirnhautentzündung, gibt es ja eine Impfung. Nicht aber gegen Borreliose und die kann ganz viele Probleme machen.
Daher unser Nackt-Nahkampf gegen die kleinen Spinnentierchen, zu denen die Zecken in der zoologischen Systematik ja gehören.
© Lorenz Graf 2020-09-15