Heute ist es wieder soweit. Ich mache es einmal in der Woche. Mit starrer Regelmässigkeit wachsen sie aus mir heraus. Früher habe ich sie schwarz lackiert. Das war für mich der Ausdruck eines kleinen Widerstandes. Es war ein wohltuendes Gefühl. Ich war jung und konnte vieles nicht in Worte fassen. Oft fehlen sie mir noch heute. Jetzt lackiere ich sie nicht mehr.
Der Christian hat mir erzählt, dass er in den achtziger Jahren in der Justizanstalt eine Mischung aus Besenborsten und Fingernägeln geraucht hat. Und Pitralon hätten sie getrunken. Wers glaubt.
Bis heute weiß ich nicht, ob ich die Nägel in den Ausguß oder in den Mistkübel werfen soll. Darum wechsle ich mich ab. Auf eine Ausgußwoche folgt eine Kübelwoche. Ich finde die Vorstellung beruhigend, dass sich meine Fingernägel in der Kläranlage mit den Artefakten anderer Menschen mischen und zu Boden sinken. Das Klärbecken als Element des Gemeinsamen. Die Vorstellung fehlt mir bei der Kübelwoche.
In letzter Zeit merke ich, dass ich mich darauf konzentrieren muss, meine Nägel klar zu sehen. Meine Augen werden schwächer. Und meine Nägel dicker, härter und spröder. Deshalb habe ich mir einen grösseren Nagelzwicker gegönnt.
Aber ich hatte nie einen Nagelpilz. Dafür bin ich dankbar.
Ich lösche das Licht im Bad und mache weiter mit dem, was nötig ist.
© Alexander E. Aigner 2022-04-11