Narben

Kristina Fenninger

von Kristina Fenninger

Story

Ich schaue in den Spiegel. Was ich da heute sehe, gefällt mir nicht so besonders. Es ist nicht so, dass ich mir selbst nicht gefalle. Eher im Gegenteil. Ich mag meinen Körper mit all seinen Macken. Doch heute „zieren“ wieder einmal jede Menge Hautunreinheiten mein Gesicht. Gerade jetzt oder vielleicht gerade deshalb, weil ich mich in letzter Zeit wieder ein wenig unsicher gefühlt habe. Oder habe ich einfach zu viel Pizza gegessen in letzter Zeit? Ich weiß es nicht. Sie stören mich, diese Unreinheiten.

Viele Jahre wurde ich in der Schule wegen meines Aussehens sehr gemobbt. Ich fühlte mich eklig. Sogar so sehr, dass ich dachte, ich darf nicht hier sein auf dieser Welt, weil ich so grausig bin. Bestimmt war es gar nicht MEIN Aussehen, das meine Mitschüler so störte. Wahrscheinlich hatten sie einen eigenen inneren Konflikt auszutragen. Und ich war ein leichtes Opfer, nämlich war mein Selbstbewusstsein im Keller.

Ich kaufte mir Make-up und kleisterte mein Gesicht damit voll. Ich wollte nicht zeigen, wer ich wirklich bin, weder innerlich noch äußerlich. Heute ist das ganz anders. Ich trage mein Herz auf der Zunge und sage meistens, was ich mir denke, wenn meine Meinung gefragt wird. Dabei bin ich aber immer bedacht darauf, den anderen nicht zu verletzten. Make-up möchte ich mir auch keines mehr ins Gesicht schmieren. Ich will zeigen, wer ich wirklich bin. Ich will mich nicht verstecken. Ich will heute auch meine verletzlichen Seiten zeigen dürfen. Ich will nicht immer nur die Starke sein. Meine Verletzungen will ich anschauen. Sie dürfen heilen.

Meine Hautunreinheiten dürfen sein, ich akzeptiere sie und frage mich, was sie mir sagen wollen.

Sowieso ist innere Schönheit viel wichtiger als äußere für mich. Sowieso ist schön für jeden etwas Anderes.

Von kleinen Operationen habe ich mehrere Narben an meinem Körper. Eine sieht aus wie ein Herz. Vielleicht will diese mir sagen, du bist gut so wie du bist.

Ich zeige mich heute, wie und wer ich bin. Mit all meinen Macken. Mit all meinen Schwächen. Ich habe sie. Sie dürfen sein. Ich akzeptiere sie. Ich zeige mich heute, wie und wer ich bin. Ungeschminkt.

© Kristina Fenninger 2020-11-04

Hashtags