von Julia S.
Dort saß er.
Narr, nannten sie ihn. Wie lange schon, das wusste er nicht.
Oft wollte er mitreden, doch seine Gedanken waren langsamer als das Gesprochene der anderen. Manchmal fielen ihm Namen ein. Manchmal hörte er sich nachts rufen. Dann wachte er auf und wusste noch weniger als untertags.
Gust! Schurl! Nickl!
War er einer davon? War er Bruder? Vater? Sohn? Er wusste es nicht mehr. Seine Gedanken wollten ihm nicht mehr verraten. Wahrscheinlich hatten sie vom Vergessen genug.
Sein Blick war düster.
Verschwommen.
Verloren.
Er zahlte die Rechnung. Öfter als notwendig. Der Wirt nahm das Geld. Öfter als notwendig. Mit Trinkgeld.
Jedesmal.
Verraucht war das Lokal. Wer sich an das Verbotsschild halten wollte, kam nicht hierher. Schon am Vormittag schrieb der kalte Rauch Gerüchte in den Raum, die abends in der Wärme widerlegt wurden.
Narr nannten sie ihn. Wie lange schon, das wusste er nicht.
“Narr, erzähl uns vom Leben!”
Es kam nicht oft vor, dass sie ihn um etwas baten. Er räusperte sich und blieb doch heiser, als er antwortete:
“Der Herr hat es mir gegeben. Er wird es mir auch wieder nehmen.”
Dort saß er.
© Julia S. 2021-09-09