von Lotte Maria Kaml
Eierschwammerl, Herrenpilze, Champignons. Basta. Andere Verwandte der Familie Pilz kommen mir nicht in die Pfanne! Zu tief hat sich die Angst vor einer Vergiftung in meinem Kopf eingenistet. In Kindertagen musste ich deshalb um mein junges Leben fürchten.
Die sogenannte „Schul-Ausspeisung“ war ein Meilenstein in Sachen Fortschritt an unserer Volksschule. Eine versierte Hausfrau wurde zur Köchin upgegradet, pünktlich um elf Uhr vormittags verwöhnte sie uns mit ihren Köstlichkeiten. Wir waren begeistert. Endlich keine langweiligen Jausen-Brote mehr! Im Sommer wurde unsere „Frau Anna“, wie wir sie respektvoll zu nennen hatten, kreativ. Das beste Essen gab es kurz vor den Ferien, alle Köstlichkeiten, die der Schulgarten hergab, landeten auf unseren Tellern. Gebackener Kohlrabi, Krautfleckerl, Bohneneintopf und Erbsenreis.
Dann begann die Schwammerl-Zeit. Eierschwammerl mit Semmelknödel, herrlich. Aber eines Tages schöpfte mir Frau Anna einen großen Schöpfer Suppe in den Teller. Dazu gab es Schwarzbrot. Ich warf einen Blick auf den Teller und wagte es zu fragen: „Was ist das?“ Dieses undefinierbare, bräunliche, halb flüssige Etwas war mir nicht ganz geheuer. Da bekam ich es aber mit der Berufs-Ehre unserer Köchin zu tun.
„Ja, du dummes Dirndl, du wirst doch eine Schwammerlsupp´n kennen?“ Ich zog den Kopf ein, als meine Mitschüler mich auslachten. Schon nach dem ersten Löffel wusste ich, das konnte ich unmöglich essen. Aber es gab kein Pardon. „Aufessen!“ Bei diesem Ton wagte niemand zu mucksen. Ohne Aufessen durften wir nicht aufstehen, das wussten wir alle. Ich würgte also die Suppe mühsam hinunter und es grauste mich ganz fürchterlich.
Am Nachmittag, mitten unterm Hausaufgabe-Machen ging es los. Ein Grummeln im Magen, heftiges Bauchzwicken, dann wurde mir hundeübel. Meine Eltern wollten wissen, was ich heute gegessen hatte. „Einen ganzen Teller so grausliche Schwammerl-Suppe! Ich glaub, ich bin vergiftet!“ Auf die Handvoll (noch bei weitem nicht reifen) Zwetschgen, die ich am Nachhause-Weg verdrückt hatte, vergaß ich. Die waren sicher harmlos! Meine Antwort machte aber keinen großen Eindruck. „Geh, die Anni kocht doch keine giftigen Schwammerl!“
Die folgende Nacht (nach zwei Häferln Kamillentee zur Beruhigung) war ein Horror. Ich träumte vom Doktor, einer Spritze deren Nadel so dick war wie die Häkelnadel in meinem Handarbeits-Korb und Frau Anna erschien mir als Todesengel. Sie trug ein knöchellanges, weißes Hemd, ihre weiß-grauen Haare waren zu einem Dutt frisiert und mit ihrer Brille fuchtelte sie vor meiner Nase herum. „Aufessen!“, befahl sie mit stechendem Blick.
Am nächsten Tag weigerte ich mich, zur Schule zu gehen. „Und wenn es wieder so eine Suppe gibt?“, weinte ich hysterisch. „Na gut, dann sagen wir der Anni halt, dass du sie nicht verträgst, du narrisches Schwammerl du!“, sagte meine Mama. Ich war gerettet. Aber Schwammerl in der Suppe? Nie mehr! Viel zu gefährlich.
© Lotte Maria Kaml 2020-08-07