Narrnkastl schauen, Luftschlösser bauen

Sandra Leis

von Sandra Leis

Story

No, sorry, dafür habe ich jetzt wirklich keine Zeit. Zu irreal. Zu abgehoben. Zu zeitverschwenderisch. Und Zeit ist bekanntlich Geld. Von beidem hab ich zu wenig. Luftschlösser bauen ist etwas für wilde Träumer, die nicht in unsere faktenhörige Welt passen. Ganz ehrlich, im Moment haben wir Wichtigeres zu tun. Die einen müssen unaufhörlich den Dummen erklären, was Solidarität und Nächstenliebe bedeutet. Die anderen müssen für Selbstbestimmtheit und Freiheit kämpfen. Eine bewegte Zeit, die jedoch kaum Raum für grenzgängerische, phantastische Gedankenfreiheitsreisen bietet.

Nun gut, wenn es grad nicht die richtige Zeit für Luftschlösser ist, dann vielleicht für bodenständiges „Steinmärchen erzählen“. Das macht mindestens genauso Spaß, ist aber wissenschaftlich anerkannter. Es eröffnete sich mir aus heiterem Himmel ein an meinen feinfühligen, langen Haaren herbeigezogenes, entdeckungswürdiges, neues Reich. Ein bis dato in meiner kleinen Schuhschachtel-Welt nicht wahrgenommenes Paralleluniversum.

Wie oft bin ich wohl schon gefühllos über die Steinplatten mit den herausgebrochenen Fragmenten getrampelt. Unachtsam, die Augen nur nach vorne gerichtet. Wie ein Elefant im Porzellanladen. Wie der Riese Goliath auf der Zwergeninsel Liliput. Gott Sei Dank ist die im Bewusstsein aufgetauchte Welt unter meinen ungehobelten Fußsohlen schon seit Jahrzehnten in Stein gemeißelt. Die unauffällige Steinwesen-Welt säumt den Rand eines Parkplatzes. Das kleine Universum befindet sich auf meinem rituellen Spazierweg, den ich, so oft es mir möglich ist, beschreite.

Es ist MEIN persönlicher Weg der Einkehr, der Reinigung, der Gedankenordnung, der Ideen, der Inspiration. Ich gehe immer denselben Weg. Der Weg hat schon viele Veränderungen durch den Menschen überstanden. Er ist ein Weg, der mir aber immer wieder versichert, dass dies ALLES in Ordnung für ihn ist. „Es ist, wie es ist.“, sagt er lächelnd. Ein Weg, der mich immer von der Angst weg hin zum Urvertrauen führt. Ein Weg, der mir IMMER genau das schenkt, was ich gerade benötige.

Warum mir wohl ausgerechnet jetzt die Einsicht in diese neue Welt am Beginn meiner Lieblingsroute gewährt wurde? Stehen wir womöglich am Beginn einer neuen Welt? Ist das Einzige, was wir dafür tun müssen, den Blick abwärts mit einer Demutshaltung auf den Boden zu senken? Verbirgt sich da die alleswissende Tiefenweisheit, die sich manchmal, wenn wir aufmerksam sind, an der Oberfläche spiegelt?

© Sandra Leis 2022-03-01

Hashtags