Nationalfeiertag

Karin Sieder

von Karin Sieder

Story

Bin gerne Österreicherin. Mag die Landschaft, die Jahreszeiten, die Menschen. Heuer habe ich wieder eine erste Klasse (Mittelschule). Meine Frage am letzten Tag vor den neu installierten Herbstferien sollte eher ein netter Stundenausklang werden.

“Warum dürfen wir jetzt eine Woche Zuhause bleiben? Wer nichts weiß, muss in die Schule gehen.” (Der letzte Satz ist nur eine leere Drohung. Aber das Wissen meine Hasen ja nicht.)

Leider kam genau jene Antwort, die ich absolut nicht hören wollte.

“Wegen Halloween.“

Okay. Da hat sich mein Hals gleich mal ordentlich verdickt. Definitiv nicht. Habe mal kurz ausgeholt, was wir in unserer Gegend mit Halloween zutun haben: nix, einfach nix.

Zweite Antwort: “Wegen Allerheiligen.“ Besser. War nun etwas beruhigter, dass irgendwer was weiß. Aber Allerheiligen ist erst in einer Woche.

Sonst noch Vorschläge: “Wegen des Nationalfeiertags.” Sehr gut. Es gibt noch Hoffnung in meiner Klasse. Sprechen wir gleich, wer was weiß. Da kommt natürlich dieser Quatsch mit dem letzten Soldaten und ich schicke die Volksschullehrerin, obwohl eine gute Freundin, im Gedanke durch Sonne, Mond und Sterne. Meinereiner erklärt das Wort Neutralität und wie wichtig diese Errungenschaft damals für die Entwicklung von Österreich war und dass an diesem Tag öffentliche Gebäude beflaggt werden und dass es viele Menschen gibt, die im privaten Umfeld ebenfalls eine österreichische Fahne aufhängen.

“Frau Fachlehrerin, machen Sie auch so etwas zum Nationalfeiertag?”

Grundsätzlich beantworte ich Fragen immer ehrlich. Kinder haben ein feines Gespür dafür, wenn sie belogen werden. Also denke ich mal angestrengt nach, wie ich denn so meinen Nationalfeiertag gestalte. Grundsätzlich habe ich da schon so meine Traditionen. Ich sammle Nüsse, schneide Sommerstauden zurück, grabe Gemüsebeete um und erledige überhaupt sehr viel im Garten. Ob diese Antwort jetzt wirklich mein Nationalbewusstsein widergibt? Das Läuten der Schulglocke erübrigte meine Antwort.

Nun habe das Wort Nationalbewusstsein mal nachgeschlagen: Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Nation. Ja, das kann ich für mich unterschreiben. Ich fühle mich als Österreicherin mit allem Drum und Dran. Und dabei muss ich mir nicht mal mein Haus beflaggen.

© Karin Sieder 2020-10-25

Hashtags