Navigation im Labyrinth des Lebens

Sabine Almhofer

von Sabine Almhofer

Story

„… und dann sehe ich das Ortsschild näher kommen. Was meinst du, wie geschockt ich war, als meine Augen „Strobl“ erlesen?“, frage ich meine Freundin als wir mit einem Gläschen Prosecco auf ihren Urlaubsbeginn anstossen.

In einem orientierungslosen Menschenleben ist es nur eine weitere falsche Abzweigung, die sich in die Versagensliste einreiht. Mein Leben gleicht einem Labyrinth, aus dem mich auch das Navi nur über Umwege herauszuführen vermag. Außerhalb meiner Komfortzone warten die Sackgassen unermüdlich auf mein Eintreten.

Gratulation, sie haben eine neue Sackgasse erreicht. Um Bad Goisern zu erreichen, kehren Sie bitte um!

2010 lerne ich den Luftkurort Bad Goisern, während meines Urlaubs v on meiner toxischen Beziehung, kennen und lieben. Ohne Plan und ohne Ziel, den Rucksack geschultert, wandere ich los. Ich folge dem „Soleleitungsweg nach Hallstatt“. Große dunkle Wolken lassen erahnen was gleich passieren wird. Ich bin dankbar in meinem Rucksack den hässlichsten aller Regenmäntel zu finden, der mir bis zu den Knöcheln reicht und meinen Körper trocken hält als dicke Tropfen ohne Pause auf mich niederprasseln.

Auf dem Salzberg angekommen, tausche ich Regenmantel gegen grünen Mantel und nehme an der Führung durch das Salzbergwerk teil. Der Regen hat meinen Ärger fortgewaschen. Am Ausgang erwerbe ich das Foto, das mich mit einem zauberhaften Lächeln die Rutsche hinunterflitzend zeigt.

Felsenfest davon überzeugt, den Weg ins Zentrum mit der Salzbergbahn zurückzulegen, schlägt beim Betrachten der Fahrpreise das „Almhofer-Gen“ durch. “Wucherpreis”, schnaubt es in mir. Bahn und Preistafel stolz links liegen lassend, trete ich den Weg zu Fuß an.

Die Freude ist groß, als das Schiff 5 Minuten nachdem ich es erreicht habe, ablegt. Demnach wird auch der Zug bald kommen, der mich nach Bad Goisern zurückbringt. Korrekter Gedankengang, denn an der Schiffsanlegestelle befindet sich nichts außer der Bahnhaltestelle. Sobald sich die Zugtüren schließen, schlägt mein Bauchgefühl Alarm. Aus einer leisen Vorahnung wird Gewissheit. Nächste Haltestelle: Obertraun.

Verdammt Sabine, du hättest doch zumindest in Erwägung ziehen können, dass Züge in beide Richtungen verkehren, auch wenn es nur ein Gleis gibt.

Wäre mir Selbstliebe nicht fremd, wäre ich überhaupt nicht in diese Situation gekommen, weil ich nicht hätte fliehen müssen aus meinem Zuhause, weil ich keine toxische Beziehung hätte. Weil sie mir fremd ist, schimpft und wütet es in mir und gegen mich.

Erst als eine Pizza in Obertraun meinen Hunger stillt, kehrt allmählich wieder Frieden in mir und mit mir ein. Was hab ich denn verpasst durch den Umweg?

11 Jahre und viele Umwege, Irrwege und Sackgassen später, lache ich mit meiner Freundin über den aktuellen Umweg über Strobl. Wir schenken uns ein letztes Gläschen ein. “Am Sonntag fahre ich nach Perchtoldsdorf”, erzähle ich weiter. “Was meinst du, soll ich mich auf Wien freuen?”

© Sabine Almhofer 2021-07-17

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