von Flaco
herr navratil von der vierer stiege war gelernter maurer und trank. wenn er es nicht tat zitterte er. bei maurern damals so etwas wie eine berufskrankheit. seine pummelige tochter ging mit mir in die volksschule. mein vater reparierte sein auto, dafür verflieste der herr navratil unser badezimmer und vernichtete dabei zwei kisten bier.
wir kinder mochten ihn, weil er laut und lustig war, zumindest bis am abend, da trank er schnaps, dann kam es schon vor, dass er einfach umkippte, weshalb man ihn immer wieder mal mit kopfverband antraf. als er seine arbeit verlor, weil die trinkerei zuviel geworden war, kümmerte sich mein vater darum, dass der franzl zuerst nach kalksburg in die trinkerheilanstallt ging und danach einen gerade frei gewordenen posten als schulwart bekam.
er roch zwar weiterhin zwanzig meter gegen den wind nach bier, aber er schien sein problem im griff zu haben. als ehemaliger pfuscher war er ein allesreparierer, seine tiefe, rauhe stimme verlieh ihm eine autorität, die er in einer hauptschule im damals noch berüchtigten meidling gut gebrauchen konnte, ausserdem mochte er kinder und diese ihn. er war also der geborene schulwart.
in diese schule gingen damals auch kinder von halbweltgrößen, wie die tochter der wilden wanda, die zwar lesbisch war, aber eine tochter hatte,eine berühmtheit im milieu. der sohn vom roten heinzi, der für seinen goldenen revolver berühmt, ja legendär, war. einer meiner schlimmsten feinde war der dicke hansi, dessen vater nur ein bein hatte und wegen mordes im gefängnis saß. hansi war nicht nur dick, sondern auch größer und stärker als alle anderen, da er die dritte klasse zweimal wiederholt hatte.
so tat es mir gut, einen mächtigen freund in form des schulwarts zu haben, nicht nur, weil ich oft den zuviel angelieferten schul kakao im bankfach stehen hatte, sondern auch, weil angriffe des dicken hansis von einer starken, nach bier duftenden hand unterbunden wurden. einmal rettete mir herr navratil sogar das leben und das kam so:
gegen jahresende waren die verbotenen schweizerkracher unter den buben sehr beliebt, so kaufte ich am mexikoplatz, wo man damals alles bekam was gut und verboten war, großpackungen der knallkörper und verkaufte diese dann am schulklo einzeln gewinnbringend weiter. als der dicke hansi behauptete, dass diese alt seien und nicht mehr zündeten, rieb ich einen an und versuchte ihn dann im klo hinunterzuspülen, wobei ich davon ausging, dass das wasser eine zündung verhindern würde. das tat es nicht. nach einem dumpfen knall der die sanitäranlage sprengte, ergoss sich ein schwall wasser über den boden, worauf wir die beine in die hand nahmen.
was mir eine schlaflose nacht bereitete, ja beinahe das leben gekostete hätte, war, dass ich bei meiner flucht meinen turnbeutel mit namensschild und den restlichen krachern am klo vergessen hatte.
am morgen hing mein turnzeug an meinem garderobehacken, die schweizerkracher fehlten. trotzdem: danke herr navratil!
© Flaco 2019-09-06