von Martina Verant
Sie hat heute Geburtstag und ausgerechnet an ihrem Tag stehen wir im Dom zu Neapel. Der war nicht schwer zu finden, denn erstens trafen wir unsere ortskundige Freundin dort und zweitens gibt es an jeder Ecke in Neapel eine Kirche, eine Madonna, eine Nische für ein elektrisches Kerzlein, etwas Heiliges. Neapel ein großer Devotionalienladen? Noch weiß ich nicht so genau wie ich darüber denke, denn es ist unser erster Tag. Auf den Stiegen des Doms sitzen viele junge Menschen. Die italienische Kirche ist also jung und lebendig? Das Blut des heiligen Gennaro wird hier aufbewahrt, bestaunt und als mystische Geschichte verehrt. Wir benehmen uns demgemäß und huldigen den Ort, die Krypta den Tag. Karin bleibt vor einer freihängenden Glocke stehen und überlegt sich, ob sie daran ziehen soll und geht weiter. Ich beobachte sie und frage mich, warum sie das nicht getan hat, ziehe ein paar Mal. Im Dom zu Neapel läutet die Glocke zu ihrem Wiegenfeste. Es fliegt nur der, der es wagt!
Vor mir im Beichtstuhl saß bis zu jenem Moment ein regloser Priester. Zu meinem großen Erstaunen ist dies hier kein Papppriester – nein, er kann auch sprechen und wirft mir von weitem ein: “Ma tu sei scema!” zu. Ungehörig fand ich diesen plötzlichen Aufschrei des heiligen Mannes, mich als Idiotin zu bezichtigen. Doch dem nicht genug liefen 3 security Menschen auf mich zu. Sie erforschten im Laufschritt meine Nationalität und riefen: Hey italiana! Reglos verharrte ich mit Blick auf den keifenden Pfarrer und meinte stoisch: Tedesca!
Dies bremste ihren Schritt, sodass ich den Grund warum das Geläute vonnöten gewesen sei erklären konnte. Sie hat eben Geburtstag, meine liebe Freundin. Anniversario!
Wohlweise packte ich meine Italienischkenntnisse in diesem Moment in die Kiste der Unwissenheit und war zudem gerne deutsche Staatsbürgerin. Dafür entschuldige ich mich öffentlich für meinen Verrat, doch es juckte mich einfach zu sehr.
„Hast du schon einmal in einem Golf gebadet“? Auf Ischia durften wir uns den heißen Thermalquellen hingeben, die uns das Hinterteil wärmten. Der kühlende Strom aus dem Meer temperierte das zu Heiße. Ich lag in einer Natur-Thermalwanne. Der Italiener hinter mir wärmte mir sogar den Rücken. Als er dann plötzlich neben mir saß, reichte er mir die Hand und stellte sich mit “Luigi” vor. Eine äußerst sympathische Art sich kennenzulernen. Hier ist alles anders. Er massierte mir noch die Füße und Gott sei Dank ertönte von ferne der Aufruf zum Weiterziehen.
Funiculi, funicula – das neapolitanische Konzert in der Taxigarage mit einem Fassungsvermögen von 28 begeisterten Menschen endete im Tanz.
Neapel ein Devotionalienladen? Schimpfende Pfarrer, hupende Autos, angekettete Wäscheständer – es ist wohl eine Stadt die alle Gegensätzlichkeiten vereint.Ohne uns vier, wären solche Erlebnisse in dieser Qualität nie zustande gekommen, denn zwischen den Zeilen haben wir noch viel gelacht, gestaunt, gegessen und gedankt. Sterben – später!
© Martina Verant 2023-02-05