von Tina Doeffinger
Nun ist es wieder passiert. Gedankenverloren schiebe ich meinen Einkaufswagen durch das Lebensmittelgeschäft und fülle ihn ganz automatisch mit Produkten, von denen ich weiß, dass ich sie brauche. Ohne Einkaufszettel. Der schafft es meist ohnehin nicht bis zur Ladens Pforte.
Ich fülle und schiebe. Irgendwann schiebe ich nicht mehr, sondern lasse den Wagen stehen. So kann ich mich freier bewegen und schneller durch die Gänge huschen. Irgendwann hole ich den Wagen wieder zu mir, schiebe und fülle weiter. Stelle die Milch neben die Butter. Butter? ich kaufe keine Butter, zumindest nicht heute, wie kommt die denn in den Wagen? Und auch so manch andere Produkte, die ich ganz sicher nicht hineingepackt hatte und nicht hineinpacken würde, wundere ich mich bei näherer Betrachtung. Blitzschnell nehme ich meine Hände vom Wagen, entferne mich ein paar Schritte und blicke vorsichtig um mich. Nehme die Milch wieder heraus und suche meinen Wagen. Wo hatte ich den denn abgestellt? Während ich mich orientierungslos durch die Gänge bewege, begegnet mir eine ältere Frau, die denselben verlorenen Ausdruck im Gesicht hat.
Mit einer gewissen Vorahnung frage ich die Suchende, ob ich ihr helfen kann. “Irgendjemand hat meinen Wagen genommen und ihn an einen anderen Platz geschoben und ich kann ihn nicht finden”, sagt sie verärgert.
Ich ziehe ein wenig den Kopf ein und schäme mich. Gleichzeitig beneide ich sie, dass sie im Gegensatz zu mir, so genau weiß, wo sie ihren Wagen abgestellt hat. Aber weil sie so offensichtlich verstimmt ist, zögere ich ihr zu gestehen, dass die Verursacherin des Übels vor ihr steht. Während ich überlege, wie ich sie unauffällig wieder mit ihrem Wagen verbinden könnte, ohne mich outen zu müssen, hat sie ihn bereits entdeckt und steuert zielstrebig auf ihn zu.
Sie murmelt, dass ihr wohl jemand einen Streich gespielt hat und sie ärgern wollte. Ich möchte nicht, dass sie mit diesen dunklen Gedanken durch den weiteren Tag geht und ich für meinen Teil beschließe, mich nicht innerlich und äußerlich wegzuducken, sondern geradezustehen.
Darum gehe ich zu ihr und setze zu einem Geständnis an. Sie sieht mir verwundert in die Augen. “Es tut mir wirklich leid“, sage ich etwas zerknirscht,““ Ich bin manchmal mit meinen Gedanken ganz wo anders und dann schiebe ich fremde Einkaufswägen weiter und finde meinen eigenen nicht mehr.“
Ihr Ärger macht nun einem belustigten Zwinkern in ihren Augen Platz. Das lässt mich aufatmen, auch als ich nun einen vereinsamten Wagen vor dem Nudelregal entdecke.
© Tina Doeffinger 2022-06-18