⊠eine neue Lebensphilosophie? Das aufeinander Zugehen erlebe ich so gut wie nicht mehr. Ich habe es offensichtlich auch verlernt. Wir werden immer unsensibler. Sehen kaum noch, wenn der NĂ€chste leidet. Die persönlichen GesprĂ€che werden immer oberflĂ€chlicher. Man sieht sich kaum noch in die Augen. Die BeschĂ€ftigung mit sich selbst und die hehre StĂ€rkung der individuellen Autonomie hat Vorrang. Wichtig ist der eigene Vorteil, das eigene VorwĂ€rtskommen, die eigenen BedĂŒrfnisse, âŠ
Manchmal frage ich mich, nehme nur ich das so wahr? Gehöre ich zu einer exkludierten Minderheit? Oder entsprechen meine Wahrnehmungen doch dem Mainstream? Erleben wir die stete Kultivierung des Nebeneinanders? Verkommt das Miteinander zu einem temporĂ€ren Zusammenarbeiten, wenn fĂŒr die Beteiligten entsprechend viel rausspringt?
Im Privaten erlebe ich das Miteinander so gut wie gar nicht mehr. Die Menschen, denen ich noch vertraue, die mir zumindest zeitweise das GefĂŒhl des Miteinanders oder â was mir besser gefĂ€llt â ein GefĂŒhl des FĂŒreinanders vermitteln, die kann ich an einer Hand abzĂ€hlen. Und ich benötige dazu bei weitem nicht alle fĂŒnf Finger âŠ
Ich frage mich, was ich dazu beitragen kann? Zu einem Mehr an miteinander. Da und dort gelingt es mir. Im Kleinen. Im Bescheidenen. GefĂŒhlt wenige Menschen, die sich diesem sich wieder Zuwenden verpflichtet fĂŒhlen. Es als moralisch und ethisch geboten zu sehen. Doch ĂŒberwiegend erlebe ich dieses Nebeneinander. In so vielen Lebensbereichen. Hauptsache mir geht es gut. Was immer wir Menschen unter âgutâ verstehen. Wohl von individuellen AnsprĂŒchen des Einzelnen abhĂ€ngig.
Wird es eine Renaissance des Miteinanders, des FĂŒreinanders geben? Im gröĂeren gesellschaftlichen Kontext glaube ich kaum mehr daran. Zu stark der Materialismus. Besitz, Gewinn, das Zurschaustellen von Statussymbolen. Das ist wichtig. Das schafft Befriedigung. Dieses Prickeln wollen viele spĂŒren.
Ich spĂŒre gar kein Prickeln mehr. Mir geht es materiell auch gut. Hatte dem frĂŒher auch mehr beigemessen. Heute sagt mir so vieles aus dem Universum des Materialismus gar nichts mehr. Und das ist fĂŒr mich ein deutliches Zeichen, was mir fehlt. Dieses Miteinander. Dieses FĂŒreinander. Ich spĂŒre aber auch in mir, dass das Werkzeug selbst etwas dazu beizutragen mir weitgehend verloren gegangen ist. Oder es schlicht veraltet ist. Nicht mehr zu gebrauchen. Ebenso die persönlichen Skills. Sie verkĂŒmmerten, sie verdarben. DĂŒrre Zeugen in einer dĂŒrstenden Seele.
Ich fĂŒhle immer mehr diese Ohnmacht. Dennoch. Ich möchte offen und empfĂ€nglich bleiben. FĂŒr diese edlen Werte des Miteinanders und FĂŒreinander. Gewiss. Eine passive Haltung. Mangels eigener Ideen und Kraft zu einer Wiederbesinnung beizutragen. Aber immerhin. Ohne diese innere Haltung geht es ohnehin nicht.
Und ich werde mich so oft und gut es geht mit bescheidenen BeitrÀgen dieser Wiederbesinnung widmen. Ein kleiner Krieger des Lichts sein. Ecce Homo als Motto.
© Walter Tiefenbacher 2021-10-06