von Julia Kautzmann
Dem geht es viel besser als mir.
Der hat viel mehr Glück als ich.
Sie hat viel schönere Haare als ich.
Die kriegt doch eh immer was sie will.
Neid. Und Eifersucht. Ständig.
Immer der Vergleich mit anderen Leuten. Deren Leben. Körper. Besitztümer.
Warum will man immer genau das haben, was man selbst nicht hat? Oder vielleicht auch nicht bekommen kann? Warum sieht man das Leben von anderen Menschen und wünscht sich, dass die Dinge bei einem selbst auch so laufen wie bei anderen? Dass man die gleichen Dinge, wenn nicht sogar mehr, hat?
Ob es nun ein Familienmitglied, ein Freund, oder auch jemand Wildfremdes ist. Man bekommt nur mit, dass bei jemandem etwas gerade richtig toll im Leben läuft. Dass jemand in einer Situation richtig Glück hatte. Dass etwas genauso ausgegangen ist, wie sich die Person das vorgestellt hat. Oder sogar noch besser. Und schon kommen diese kleinen fiesen Gedanken. Die sticheln und einen nicht mehr loslassen. Die Gedanken, warum bloß jemand anderes so viel Glück, Erfolg, Geld, Freunde oder was auch immer hat und man selbst nicht. Obwohl man selbst doch so hart dafür arbeitet. Vielleicht sogar noch viel härter, als die andere Person. Würde man es dann nicht viel mehr verdienen? Die andere Person hat doch schon so viel. Warum muss ich selbst immer so für alles kämpfen und anderen Leuten fliegt es dem Gefühl nach nur zu? Sie bekommen, was sie wollen, ohne auch nur einen Finger dafür krumm zu machen. Ist das nicht einfach nur unfair?
Da sind sie. Ständig. Diese Gefühle und Gedanken, dass es anderen besser geht. Dass andere es leichter haben. Sie weniger für etwas tun müssen als man selbst. Aber ist das auch wirklich so? Oder hat man vielleicht oft nur keinen so tiefen Einblick in das Leben der anderen? Sieht gar nicht, wie hart sie auch schon für etwas gekämpft haben? Und wenn nicht für diese Sache, dann vielleicht für etwas anderes? Bei dem sie auch enttäuscht wurden? Und sich die schwere Arbeit erst viel später bemerkbar macht? Ist es vielleicht ausgleichende Gerechtigkeit?
Aber was, wenn es mir genauso geht? Wenn ich gerade an einem Punkt im Leben feststecke, an dem es kein Anzeichen dafür gibt, dass sich alle Arbeit, jedes Weiterkämpfen und Wiederaufstehen, irgendwann auszahlt? Und dann, eines Tages, werde ich ganz plötzlich überrascht? Auch wenn vieles nicht so gelaufen ist, wie gewünscht und geplant, sich dafür aber andere Möglichkeiten und Wege aufgetan haben? Und am Ende sogar noch mehr dabei herauskommt als ich mir je erträumt hätte?
Nur, weil etwas den Anschein macht, heißt es nicht automatisch, dass etwas auch so ist, wie man es wahrnimmt. Sowohl im Leben anderer, als auch im eigenen Leben. Also, lasst uns doch nicht ständig nach den anderen schauen und uns wünschen, wir hätten, was sie haben. Sondern einfach mal daran glauben, dass sich in unserem Leben auch alles zusammenfügt. Und wenn nicht heute oder morgen, dann eben irgendwann. Nichts ist verschwendet, alles führt irgendwann zum Ziel. Hab ein bisschen Geduld.
© Julia Kautzmann 2022-08-27