“Nein, ICH bin der Nikolaus!”

Viktoria T. Meindl

von Viktoria T. Meindl

Story

Jeden sechsten Dezember feiern wir in der Familie einen Namenstag. Wir unterscheiden daher penibel zwischen dem Heiligen Nikolaus von Myra und dem Santa Claus von den polaren Gebieten. Nach längerer, aktiver Recherche meinerseits musste ich aber feststellen, dass sich der hauptsächlich in Amerika bekannte Santa Claus vom Sankt Nikolaus entwickelt hatte, das gängige Bild des Santas aber von diversen Getränkefirmen publik gemacht wurde. Während der eine in unseren Kreisen am sechsten Dezember rank und schlank mit Bischofsmütze und Stab kommt, kommt der andere andernorts in der Nacht auf den 25. Dezember mit Bauchumfang durch den Rauchfang in die Häuser. Also irgendwie hängen sie zumindest namentlich dann doch zusammen, ich gebe nach.

Eines sechsten Dezembers läutete es abends an unserer Tür. Draußen war es stockfinster. Schnee lag auf unserem Zugangsweg. Wir drei Kinder stellten uns artig zur Tür, wo der Heilige Nikolaus mit weißem Bart, rotem Mantel und ebenjenem goldenen Stab stand. Den Krampus hatte er zum Glück zu Hause gelassen, sonst hätten sich alle Beteiligten hohes Gekreische von meiner Schwester und mir anhören dürfen – es war bereits vorgekommen.

So stand der Nikolaus, der nicht derselbe war, den wir aus den Kindergartenzeiten kannten, in unserem Vorraum und fragte nach unseren Namen. Meine Schwester und ich antworteten brav. Dann schaute er erwartungsvoll unseren Bruder an.

“Nikolaus”, antwortete dieser.

Der Bischof schüttelte irritiert den Kopf. “Nein, ich bin der Nikolaus. Wie heißt du?”

Mein Bruder grinste leicht und erwiderte erneut: “Nikolaus.”

“Nein, nein!”, sagte der Mann mit weißem Rauschebart völlig verdutzt. Meine Schwester und ich kicherten bereits. Er klopfte auf seinen weißen Bart und beharrte: “ICH bin der Nikolaus! Ich möchte wissen, wie DU heißt.”

Mein Bruder zuckte gelassen die Schultern und sagte noch einmal: “Nikolaus.”

Na ja, irgendwann fiel dann auch beim Heiligen Bischof von Myra der Groschen, dass sein Name kein Patent hatte.

Wir lachten alle herzlich zusammen. Der arme Mann wusste wohl wirklich nicht, mit wem er es zu tun hatte. Wir bekamen trotzdem alle ein kleines Säckchen, das letztendlich Werbung für die neu eröffnete Jausenstation bei uns in der Nähe war, und bedankten uns beim so weit gereisten Bischof.

Das Schöne an der Geschichte ist, dass mein Bruder zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass er viele Jahre später in Wien während seines Studiums Heimsprecher in seinem Studentenheim werden würde. Und beim jährlichen Punschtrinken vorm Heim warf er sich höchstpersönlich in die Schale des Bischofs von Myra und verteilte kleine Geschenke unter seinen Schäfchen.

Nomen est omen.

© Viktoria T. Meindl 2020-12-06

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