von NeleChryselius
Du musst mich wirklich nie mehr mit deinem Besuch beehren – auch nicht um endgültig Adieu zu sagen. Manche Beziehungen enden eben so sang- und klanglos. Und nachdem wir im vergangenen Jahr keinen Weg gefunden haben, miteinander auszukommen, wäre es zumindest für mich die beste Lösung, wenn du mich in Ruhe ließest. Ich hab‘ dir hoffentlich deutlich genug gezeigt, dass ich herzlich gerne auf deine Besuche verzichten kann. Nie hast du dich angekündigt, immer bist du bei Nacht und Nebel aufgetaucht und hast mir so sehr deutlich gezeigt hast, dass es gar nicht um mich ging. Das allein wäre doch schon Grund genug, sich schändlich benutzt und ausgenutzt zu fühlen. Aber nein, bei deinen Heimsuchungen hast du stets nicht nur eine Spur deiner Verwüstung hinterlassen. Blindwütig hast du getobt!
Eines kann ich dir versprechen: Ich bin bereit! Stimmt, Willkommenheißen sieht anders aus. Aber du hast ja wohl schon im vergangenen Jahr gemerkt, dass du hier nicht gern gesehen bist. Oder dachtest du, dass ich deine geistige und körperliche Fitness herausfordern wollte? Mit nichten! Allerdings hatte ich an der einen oder anderen Stelle den Eindruck, dass du meine Maßnahmen falsch verstanden hast. Deshalb, mein Nicht-Lieber, habe ich mich besser in Stellung gebracht. Du musst das nicht überprüfen, glaube mir, du wirst jämmerlich scheitern!
Noch bin ich voller Hoffnung, dass die Zwangsräumung deiner Familie nachhaltig gewirkt hat und du dir samt deiner Bagage ein neues, kuscheliges Heim gesucht hast – möglichst weit weg!
Seit ein paar Tagen bin ich allerdings in Alarmbereitschaft.
Eine Begleiterscheinung des dauernden Zuhauseseins ist die intensivere Wahrnehmung der Aussenwelt. Wenn ich in der Küche stehe, habe ich die Straße im Blick, zumindest jetzt noch, so lange, bis die Hecke mir die Aussicht mit frischem Grün verschließt.
Aufregung: in unserer sehr ruhigen Straße stand tatsächlich ein Polizeiwagen vor der Tür. Der Polizist diskutierte heftig mit einem Mann auf dem Gehweg. Wir schauten uns das eine Weile an, dann beschloss Leo, zu fragen, ob er helfen könne und ging hinaus. “Nein”, meinte der Mann in Uniform, “ es sei denn, sie möchten den Marder bei sich zur letzten Ruhe betten.”
Ich wünsche auch meinem ärgsten Feind nicht den Tod, das sei klargestellt. Und ich weiß ja gar nicht, ob es deine sterblichen Überreste waren, aber dein Grab in meinem Garten? Das wäre der reinste Hohn! Womöglich käme die gesamte Verwandtschaft, um sich von dir zu verabschieden und würde bei der Gelegenheit den Garten nach Leckereien inspizieren. Wenn du tatsächlich vor meiner Haustür den Tod gefunden haben solltest – sei mir nicht bös‘, ich wein‘ dir keine einzige Krokodilsträne nach!
© NeleChryselius 2021-04-14