von Erwin Barilich
1946 wurde ich, ein unterernĂ€hrter 13 -JĂ€hriger fĂŒr drei Wochen auf einen Bauernhof in Oberösterreich geschickt. Der Bauer hĂ€tte sich wohl einen stĂ€rkeren Burschen als Helfer bei der Arbeit gewĂŒnscht, aber damit konnte ich nicht dienen.
Er fĂŒhrte seinen Hof gĂ€nzlich patriarchisch. Nach dem FrĂŒhstĂŒck teilte er die Arbeit ein. Der Jungbauer und die Schwiegertochter hatten nichts zu reden und fĂŒgten sich kommentarlos seinen Anweisungen. Ich wurde meist zum Vieh HĂŒten, Stall ausmisten oder „Ochsen stehen“ (das FĂŒhren der Ochsen beim PflĂŒgen) eingeteilt. Alle paar Tage musste ich auch Butter rĂŒhren. Diese wurde dann in Model gepresst und verkauft.
Ich tat mich schwer, den Dialekt dort zu verstehen und so gab es manchmal MissverstĂ€ndnisse. Einmal rief mir der Bauer beim ViehhĂŒten etwas zu, was ich nicht verstand. Nach einiger Zeit kam er mit dem „Radlbock“ zurĂŒck und begann mit mir sehr zu schimpfen. Er hat mir nĂ€mlich zugerufen, dass ich die KĂŒhe nicht in die Senke gehen lassen soll, da er dort Ăpfel fĂŒr das Mostpressen abgeschĂŒttelt habe. Da ich aber die KĂŒhe nicht daran hinderte, taten sie sich an den Ăpfeln gĂŒtlich.
Eines Abends, als ich in meinem Bett lag, hörte ich in meiner Kammer ein gleichmĂ€Ăiges Rauschen. Ich konnte mir nicht erklĂ€ren, was das fĂŒr ein GerĂ€usch sei â an das GerĂ€usch der MĂ€use hatte ich mich ja schon gewöhnt. Licht hatte ich keines und ich getraute mich im Finstern auch nicht in die Richtung zu gehen, aus der es kam. So ging ich nochmals ins Haus und erzĂ€hlte vom Rauschen in meiner Kammer. Der Bauer lachte und sagte, dass er ein Fass mit gĂ€rendem Most hineingestellt habe. Ich lieĂ die TĂŒr nun aber einen Spalt offen, da ich wusste, dass schon einige Weinbauern durch GĂ€rgase ums Leben gekommen waren. Das hatte aber zur Folge, dass viele Gelsen in die Kammer kamen und nun auch das unangenehme Singen der Gelsen zu hören war, die mich belĂ€stigten.
Ich musste auch das Fallobst einsammeln. Dabei sah ich auf einem Birnbaum mehrere ganz junge EichkĂ€tzchen, die im Klettern noch nicht ganz so geschickt waren. Ich wollte mir eines fangen und stieg dabei auf den Baum. Sobald ich mich nĂ€herte, kletterten sie auf die dĂŒnnsten Ăste, und als ich hin griff, sprangen sie hinunter und liefen in den Wald. So machte ich einige vergebliche Versuche, beim kleinsten aber gelang es mir, es von hinten zu fassen. Ich nahm es mit ins Haus, setzte es in einen leeren VogelkĂ€fig, fĂŒtterte es mit Bucheckern und HaselnĂŒssen, zum Trinken bekam es verdĂŒnnte Milch. Beim Vieh HĂŒten nahm ich es ohne KĂ€fig mit und lieĂ es auf der Wiese herum hopsen. Lief es zu nahe zum Wald, habe ich es wieder eingefangen und weggetragen. Eines Tages ist es mir in den Wald entflohen, und das war sicher gut so.
Die drei Wochen sind rasch vergangen und ich war froh, wieder nach Hause zu kommen, da ich doch Heimweh hatte. Daheim sagten sie, dass ich besser aussehe und auch zugenommen habe. Ich hatte in dieser Zeit nicht nur reichliches Essen, sondern auch neue Erfahrungen gemacht.
© Erwin Barilich 2020-05-31