von Jasmin Stahl
In meinem aufregenden Teenagerleben als 15-jĂ€hrige Rampensau muss ich mich jeden Tag mit dem Schrecken der âAltenâ herumschlagen. Frau Hobel, meine persönliche Heim-Psychologin, erwartet mich jedes Mal vor meiner ZimmertĂŒr wie eine FBI-Agentin auf der Jagd nach verlorenen Socken. Schon wieder hat âdie Alteâ angerufen. Sie behauptet, ich wurde von meinen Punkerfreunden in einem Supermarkt verprĂŒgelt, weil ich nichts klauen wollte. Doch ich war nur auf dem Weg vom Unterricht zum Zug, ganz unschuldig wie ein LĂ€mmchen auf dem Weg zum Schlachter. Jedes Mal auf dem Heimweg komme ich gezwungenermaĂen an der Wohnung der âAltenâ vorbei. Es gibt keinen Umweg. TĂ€glich sehe ich ihren Kopf am Fenster. Diesen schrecklichen Kopf. Sie wartet bis ich durch die BahnhofstĂŒr laufe und ruft dann im Heim an. Jeden Tag gibt es neue LĂŒgen ĂŒber mich. Sie gibt sich MĂŒhe, mein Leben in Scherben zu legen. Es dauert aber nicht lange und meine Erzieher durchschauen die Psychopathie der âAltenâ. Eines Tages auf dem Heimweg geschieht es ganz schnell. Ich laufe mit Schulfreunden Richtung Bahnhof durch die Stadt. Urplötzlich springt jemand aus einer Apotheke heraus, schubst mich gegen einen nahestehenden Zigarettenautomaten und schlĂ€gt auf mich ein. âDu sollst der Mutter keine Probleme bereiten, du MiststĂŒck!â, schreit er mich an. Der SchlĂ€gerbruder hat wieder zugeschlagen. Ein Ă€lterer Mann kommt dazwischen und schubst ihn von mir weg. Ich sehe wieder weiĂe Blitze, alles ist so angespannt.
Um dem ganzen Wahnsinn zu entkommen, gönne ich mir regelmĂ€Ăige GehirnspĂŒlungen mit Alkohol, in der Hoffnung, dass sich mein Leben irgendwie von selbst verbessert. âEs muss doch noch eine bessere Welt da drauĂen geben?!â, frage ich mich in meinem Rauschzustand immer wieder. Zwischen PrĂŒgeleien auf der StraĂe und Spuckattacken der âAltenâ gibt es auch noch einen unfreundlichen Kneipenwirt. Er ist bekannt fĂŒr seine schlechte Laune. Nach der Schule hĂ€ngen wir in der urigen Kneipe unweit der Schule ab. Doch meine entspannungsfreundliche Routine endet an diesem Tag schlagartig. Der Wirt zieht mir meinen Stuhl unter dem Hintern weg und verpasst mir Hausverbot. Er hĂ€lt die Kopie meines Ausweises in der Hand und schmeiĂt mich raus. âDie Alteâ hat ihre FĂ€nge bis in meine Kneipe ausgedehnt. âJasmin verkauft Drogen!â, verbreitet sie. Wenn ich ĂŒberhaupt wĂŒsste, wie man einen Joint dreht, wĂŒrde ich vermutlich nicht so gestresst aussehen.
Terror hier, Terror da. Ăbernachten bei Freunden â verboten! Das Sorgerecht liegt bei der âAltenâ und schrĂ€nkt mich ein wo es nur geht. Das Gesetz sagt, sie behĂ€lt das Sorgerecht bis ich 18 bin. Danach haut sie ab in die TĂŒrkei. Immerhin gibt es Alkohol und Freunde, die fĂŒr Lacher sorgen. Ich verweile in meinem unsichtbaren KĂ€fig. Schnell, der letzte Zug zurĂŒck ins Heim um 22 Uhr. Davor wird gepumpt was das Zeug hĂ€lt. Druckbetankung!  Die Erzieher gucken besorgt zu, wenn ich die Treppen hoch torkel. Doch lange soll es mit meinen Exzessen so nicht weitergehen.
© Jasmin Stahl 2024-07-01