Nicht einmal Frühschoppen geht…

Heinrich

von Heinrich

Story

Genauer gesagt, nichts geht! Gar nichts. Und wenn der Reini im Beserlpark auf einer einsamen Parkbank sitzt, machen es sich nichtmal die Tauben neben ihm bequem. Wegen des Lockdowns warats!

Ich setzte mich, in ausreichendem Abstand, neben ihn hin und suchte das Gespräch. “Ganz schön kalt, was?” “Jo eh!” Ein gesprächiger Geselle, dachte ich. So schnell gab ich aber nicht auf. “Beim Wirten wäre es jetzt schöner, oder!” “Jo eh!” Sehr fein. Geradezu ein Poetry-Slam, der da aus dem Reini herausbrach. Ein Phonetiktsunami. Aber wortkarg war noch nicht seiner Weisheit letzter Schluss. “Jetzt spielen nur noch zwei Buben im Käfig. Nichteinmal mehr im Verein dürfen sie kicken! Alles zu. Tja, wer weiß wo das noch hinführt. Ich bin ja jetzt Lehrer geworden, obwohl ich im Polytechnischen zweimal sitzgeblieben bin. Wer hätte das gedacht?”

Jetzt sprudelte es nur so aus ihm heraus. Da kann aber auch keiner was dafür, dass er mit 52 nochmal Vater werden musste, um jetzt mit knapp 60 im Homeschooling zu brillieren. “Und wie geht’s dir damit?” “Super. Mein Sohn hat mir gerade das kleine 1×1 beigebracht!” “Nau!”

Ich wollte schon einige Male seinen Kopf einfangen, weil der vom vielen Hin- und Herschütteln durchaus gefährdet schien, abzufallen. Aber das traute ich mich natürlich nicht, weil wie soll das gehen mit Abstand? “Jetzt werden sie eh bald wieder in die Schule geschickt! Für zwei Wochen. Kommt das nur mir so deppert vor, oder ist das so?” “Keine Sorge, ist es! Weil zwei Wochen Schule mit Mundschutz bei 4000 Ansteckungen pro Tag, wenn dann ohnehin 14 Tage Ferien sind? Da haben sich die Vollzeitgelockten mal eine Auszeit vom Nachdenken gegönnt.” Reini rümpfte die Nase. “Das finden die Virologen gut?” “Keine Ahnung. Die haben ja auch keine.”

Was macht ein Virologe eigentlich, wenn es keinen Virus gibt? Also keinen wichtigen, meine ich. Weil schon klar, Viren sind immer und überall, aber es hatte den Anschein, als haben alle erst zu forschen angefangen, als die ersten Holzpyjamas gefüllt waren. Ich meine, ein Mechaniker repariert Autos und ein Maurer stellt Mauern auf. Und? Ein Virologe wartet auf das Virus? Oder den Jackpot – die Pandemie?

Egal, ich könnte mich natürlich im Google schlau machen, aber dort ist ja jeder ein Doktor. Für solche ist das Internet echt spitze. Da tummeln sich reihenweise die Geistesathleten mit Hollywood-Schaukel-Abschluss. Zu blöd für die Baumschule, aber schön mit Ratschlägen um sich werfen. Die glauben immer noch, dass der B-Zug von der Hauptstadt ins Burgenland fährt. Vertiefend waren die nur, wenn sie beim Frühschoppen ins Glas geschaut haben. “Na Reini, jetzt wird’s Zeit. Auf zur Staffelrechnung, oder?”

“Heute ist nur noch ein Referat über Moses dran!” “Ah, über den Meerteiler des Herrn. Mit Navi wäre der wohl nicht 40 Jahre umhergewandelt, was?” Reini schaute mich nur verdutzt an, stand auf und ging davon. Naja, davon wird ihm sein 7jähriger Sohn schon erzählen. Wie man so schön sagt: Mann lernt nie aus.

© Heinrich 2020-12-02

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