Niedrige Gefühle

Gertrud Scherz

von Gertrud Scherz

Story

Die Enttäuschung über meine Mathematiklehrerin war Schuld am blanken Zorn, der mich in einer ihrer Stunden zu einer folgenschweren Reaktion trieb.

Die Lösung der gestellten Aufgabe abfragend, ignorierte sie ständig mein heftiges Aufzeigen. Den Schluss dieser Generalabfragen durfte immer die Klassenbeste in den Raum stellen. Natürlich war diese immer die richtigste Antwort neben den vielen richtigen der anderen Schüler, einschließlich meiner. Ich weiß nicht mehr was sie veranlasste, sich doch noch für meine Antwort zu interessieren, wo doch die Spannung längst genommen war.

Das Unheil nahm seinen Anfang! Die Eifersucht und eben Zorn ließen mich eine x-beliebige Zahl nennen, ich sagte 40, ja weit genug weg von der Richtigen. Unter keinen Umständen wollte ich den Eindruck des Nachplapperns erwecken. Nach einer kleinen Luftholpause ihrerseits, verkündigte die Frau Fachlehrerin, dass ich als Einzige die richtige Antwort gegeben hätte. Dabei kam sie ganz locker nah zu meiner Bank und forderte mich auf, ihr vorzurechnen. Selbstbewusst sagte ich: „Zuerst hab ich multipliziert, dann dividiert…“, weiter, war angesichts ihrer zusammengepressten Lippen und ihrer aufsteigenden Gesichtsfarbe meine Entschuldigung nur mehr ein leises Piepsen. Daraufhin forderte sie mich auf, mit ihr zur Tafel zu kommen, den Rechenansatz, den sie mir diktierte aufzuschreiben und dann genau und deutlich zur Lösung zu bringen.

Ihr Plan war meine Unfähigkeit vor meinen Mitschülern zu demonstrieren und sich durch meine Bloßstellung vor der ganzen Klasse, an mir zu rächen. Schnell und bestimmt sagte ich die richtige Lösung.

Weil sie sich in ihrem Zorn auch nicht beherrschen konnte, gab mir meine Lehrerin, die ich ja ganz gern mochte, eine schallende Ohrfeige! Was tat ich?

Nein, ich weinte nicht! Ich tat instinktiv das Richtige, opferte mich mit einem schuldbewussten Lächeln und machte sie so zur vermeintlichen Siegerin. Ihre Unschuld in dieser Sache zu festigen, setzte sie zur Krönung ihrer Tat noch folgende beleidigenden Worte nach: „ Bist du so gescheit oder so dumm, bei dir kenn` i mi nimmer aus. Wahrscheinlich so blöd, denn von (meinem Wohnort) ist ja noch nie wer G´scheiter ´ kommen.“

So rechtfertigten damals Erziehungsberechtigte die sogenannte „ g´sunde Watschn!“

© Gertrud Scherz 2020-02-23