von Tobias Hoffmann
Niemand will kein Herz aus Stein. Niemand will kein kaltes Herz. Niemand will kein totes Herz. Niemand hört keine Musik; Niemand hört nur Metronom. Das reicht Niemand. Presto! Presto: ein echter Rausch. Musik dichtet er sich dann dazu. Niemand hat keinen Tanzpartner; Niemand tanzt mit Säbeln. Kampf um ein Leben. Alles tut weh. Lohnt es sich, um ein Leben zu kämpfen? Lohnt es sich, um dieses Leben zu kämpfen? Die Säbel sind schon längst erhoben! Der Kampf ist bereits konzertiert: Und niemand wird gewinnen. Niemand wird verlieren. Niemand will ein Herz aus Stein. Niemand will ein kaltes Herz. Niemand will ein totes Herz: Doch jedes Herz wird einmal sterben. Moderato. Moderato. Niemand hat einen Steinofen. Der ist groß. Backofensteine. Niemand backt Steine in seinem Steinofen. Manche sind groß und manche sind klein. Und die sind dann heiß. Und Niemand verbrennt sich an den heißen Steinen. Dann lacht er. Und zeigt seine Zähne dabei. Verbrennt Niemand sich, lacht er laut. Je schlimmer die Verbrennung, desto lauter muss er lachen. Mit weißen Zähnen. Heute lacht er so laut wie noch nie. Das stört die Anwohner der Gemeinde. Sie schreien: „Wer zu laut lacht, muss gesteinigt werden!“ Niemand lacht auf dem Boden. Laut. Laut mit Zähnen. Laut und weiß. Die Gemeinde steht im Kreis um ihn. Die Steine sind bereits erhoben! Die Steinigung längst konzertiert: Da tritt der Älteste der Gemeinde hervor und spricht zur Menge: „Wer noch nie zu laut gelacht hat, werfe den ersten Stein!“ Doch noch bevor er das ganze Wort hatte aussprechen können, bemerkte er, wie falsch es war, setzte selbst zum Wurf an und warf seinen Stein zuerst. Der war groß und der war kalt. Und eröffnete somit das Feuer. Auf Niemand. Die restliche Gemeinde tut es dem Ältesten gleich. Und Niemand ist nun hingerichtet. Niemand hat ein Herz aus Stein. Niemand hat ein kaltes Herz. Niemand hat ein totes Herz. Und Metronom? Schlägt weiter. Largo? Largo. Ist auch schön. Initiation. Säbelschlag. Steinschlag. Die Gemeinde hat kein neues Mitglied.
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Als Katalysator lebt man weder lange noch erfüllt. Man wird gebraucht, um in Gang zu setzen, man ist verbraucht, wenn man in Gang gesetzt hat. Kamikaze ist kein reines Phänomen der Japaner, sondern eher ein allumfassendes Phänomen der Chemie und des Menschseins an sich.
Unser Problem ist, dass wir für andere leben, um irgendwann für sie zu sterben. Das größte Problem jedoch, haben diejenigen von uns, die sich daraus ein Vermächtnis des Helden- und Martyrertums erhoffen. Wissen sie denn nicht?
Katalysatoren haben kein Vermächtnis.
© Tobias Hoffmann 2022-08-31