von Sarah Pankow
In der Tapas-Bar “El Tigre” im Schwulenviertel Chueca in Madrid gab es ein Glas Bier und dazu einen Tapas-Teller für einen Euro. Größe und Qualität der Tapas wuchsen mit der Anzahl der bestellten Biere. Zumindest kam einem das so vor. Wir, die anderen Erasmus-Studenten und ich, aßen oft im Tigre.
Manchmal aßen wir aber auch zu Hause. Einer der vier Italiener in unserer WG kochte. Ich war die einzige Deutsche. Meine Kochkünste waren nach dem ersten Versuch nicht mehr erwünscht. Wir aßen Pasta oder Risotto. Trotz der späten Stunde war es die erste Mahlzeit des Tages. Zum Frühstück um 16 Uhr gab es meistens nur einen Cappuccino. Manchmal auch ein paar Kekse dazu. Oder einen Joint. Zur Pasta gabs dann Wein und Schnäpse. Wir hatten uns ein paar lustige Spielchen ausgedacht, um dabei so viele Schnäpse wie möglich zu trinken. Aber die meisten von uns konnten danach noch laufen.
Also liefen wir zu einer der vielen Discos. Auf dem Weg dahin kamen wir an den unzähligen Chinos vorbei, die auf der Straße Süßigkeiten und Zigaretten verkauften. Ihre Stände waren so aufgebaut, dass sie sie in sekundenschnelle einklappen und wegrennen konnten. Falls ein Polizist vorbeikam.
Manchmal fuhren wir auch mit der Metro. Wir sprangen über die Absperrgitter um nicht bezahlen zu müssen. Wir hatten wenig Geld und kein schlechtes Gewissen. Wir kamen nie vor 2 Uhr morgens in der Disco an. Um 1 Uhr war eh noch keine Sau da. Ab 3 Uhr wurde es richtig voll. Die Musik war gut und der Schweiß tropfte von der Decke. Die Coktails waren günstig. Auf den Toiletten wurde Koks gehandelt. Das war mir dann doch eine Nummer zu viel.
Wir tanzten bis zum Morgengrauen und holten uns dann noch in einem Open 25 eine Carbonara Pizza. Oder wir gingen Kaffee trinken. So gegen 8 Uhr morgens legten wir uns schlafen. Oder hatten Sex. Ich hatte die Vorliebe, danach noch eine Runde im nahegelegenen Parque de Retiro zu drehen. Also zog ich meine Laufsachen an, setzte meine Kopfhörer auf und lief los. Die Putzcrew war schon dabei, mit riesigen Wasserschläuchen die Straßen sauber zu spritzen. Im Park führten ältere Damen ihre Hunde spazieren und lächelten mir freundlich zu. “Endlich ein vernünftiger junger Mensch, der nicht die ganze Nacht feiern geht”
© Sarah Pankow 2021-04-01