Nikolaus

Jörg Gschaider

von Jörg Gschaider

Story

Maria, die Tante des Pfarrkindergartens, erzählte mir bestürzt, dass der Nikolaus krank geworden war. Die Kinder freuten sich so… Ein Gedicht hatten sie für ihn gelernt und nun…

So eine Enttäuschung konnte man den Kindern nicht antun… Ich sei doch ein großer, stattlicher Mann, der Idealnikolo sozusagen… Und sonst ja auch für den Kindergarten engagiert…

Ich? Nikolaus? Warum eigentlich nicht? In einem kurzen Briefing erklärte mir Maria den Ablauf. Mein Auftritt würde spannend sein und auch mir viel Spaß und Freude bereiten.

Einige Tage später holte ich die Nikolausausrüstung im Pfarramt ab und begab mich damit zum Kindergarten. Bart, Perücke und der Sack mit den Geschenken blieben in Marias Büro. Mit weißer Soutane, rotem Umhang und Bischofsstab bewaffnet ging ich in den Turnsaal, in dem bereits Stühle im Halbkreis vorbereitet waren. Die Kinder warteten bereits auf mich.

Um mir die Soutane überziehen zu können, mussten sie auf einen Sessel klettern und Tante Maria war behilflich. Den roten Umhang überzuwerfen war ein Riesenspaß und die Bischofsmütze erst…

Solcherart verkleidet verließ ich den Turnsaal. Das Outfit musste noch durch Perücke mit Bart ergänzt werden, fehlte nur noch der große Sack mit den Geschenken. Zu guter Letzt überreichte mir Maria noch ein Büchlein, indem sie Ratschläge für jedes einzelne Kind vermerkt hatte.

Ganz aufgeregt rufend stürmte sie in den Turnsaal, „Kinder der Nikolaus ist da!“, verkündend. So würdig ich nur konnte, schritt ich in den Saal, von großen Kinderaugen willkommen geheißen.

„Bitte nimm doch Platz, lieber Nikolaus!“

Die Frage, was sie denn über den Nikolaus wüssten, stellte ich in den Raum. Artig erzählten die Kleinen – unter all der Aufregung, ein wenig durcheinander – die Geschichte vom heiligen Nikolaus. Brav trugen sie, diesmal beinahe einstimmig, das so mühevoll erlernte Gedicht vor.

Jetzt war die Zeit für Geschenke gekommen: „Niko!“

Er stand von seinem Stuhl auf und trat schĂĽchtern vor mich hin.

„Bist ein braver Junge, aber den Georg solltest nicht immer schubsen, das mag er nämlich nicht.“

Das Säckchen, ein „Dankeschön Herr Nikolaus“ entgegennehmend überreicht.

„Marlene!“

Ebenso vorsichtig trat Marlene vor mich.

„Bist ganz ein braves Mädel und kümmerst dich so lieb um deine kleine Schwester.“

Säckchen, Knicks, Dankeschön und so weiter…

Bestimmt waren die Kinder erstaunt, was der Nikolo alles weiĂź.

Die Geschenke waren verteilt, die Zeit zu gehen war gekommen, nämlich in Tante Marias Büro. Dort die Verkleidung abgelegt. Maria hat sich sehr herzlich bedankt und auch mir ein Geschenk überreicht: Eine selbst gebastelte Mappe mit Kinderzeichnungen. Das größte Geschenk waren aber die leuchtenden Kinderaugen.

Die Mappe hab ich noch heute aufbewahrt und was mich noch immer erstaunt: Obwohl mich die Kleinen angezogen hatten, erkannten sie mich der PerĂĽcke, des Bartes und auch wohl der Aufregung wegen nicht wieder.

© Jörg Gschaider 2020-12-04

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