von Béatrice Ammann
Nikomäuse
Es war an einem eiskalten, verschneiten Morgen Anfang Dezember. Im Häuschen des Nikolaus war es warm und gemütlich und es roch nach frischem Kaffee. Jetzt band sich der Nikolaus eine Schürze um. Heute wollte er noch einmal backen, denn bald würde er wieder mit seinem Sack unterwegs sein, um den braven Kindern Äpfel, Nüsse und Weihnachtskekse zu bringen.
Ein leises Rascheln aus der Vorratskammer liess den Nikolaus aufhorchen. Mit seinen grossen Pantoffeln schlurfte er durch die Küche und schaute in die Speisekammer. Oh weh, wer war denn da am Werk gewesen? Zimtsterne und Pfeffernüsse lagen verstreut am Boden. Einige waren angeknabbert und eine deutliche Bröselspur führte unter ein Vorratsgestell.
Ächzend kniete der Nikolaus nieder und spähte unter das Regal. Dort hinten an der Wand war eine kleine Öffnung. Vorsichtig rückte der Nikolaus das Regalbrett zur Seite. Er holte eine Kerze, um in der dunklen Ecke etwas erkennen zu können. Seine Augen gewöhnten sich nur langsam an das Dämmerlicht. Dann aber sah er sie – eine Mäusefamilie. Zitternd sassen sie in ihrem Mauseloch und blickten den Nikolaus ängstlich an.
„Potz Blitz, wo kommt ihr denn her? Habt ihr meine Vorräte angeknabbert? Kommt doch mal raus, ihr Schlingel.“
Nur zögernd wagte sich die grösste Maus vor. Sie stellte sich vor dem Nikolaus auf die Hinterbeine, fuhr sich nervös über ihr Schnäuzchen und begann ängstlich zu erzählen.
“Wir sind eine Mäusefamilie aus der Stadt. Nirgends will man uns haben. Überall werden wir verjagt und es lauern allseits Gefahren auf uns. Um uns loszuwerden, stellen manche Leute Mausefallen auf und einige streuen sogar Gift. Im letzten Haus belauschten wir Kinder. Sie erzählten vom Nikolaus, einem lieben, alten Mann, der den Kindern, die das ganze Jahr brav gewesen waren, im Dezember feine Sachen bringt. Nüsse, Äpfel und Chrömli. ‚Da müssen wir hin’, dachte ich und besprach mich mit meiner Frau. Und so haben wir uns mit unseren Kindern auf die Suche gemacht. Bist du denn nicht der Nikolaus?”
„Doch, der bin ich und alles, was du gehört hast, ist richtig. Aber ihr könnt trotzdem nicht einfach hier reinspazieren und mir das Backwerk wegschnabulieren.“
“Nikolaus, wir sind so hungrig. Wir haben schon lange nichts Richtiges mehr gegessen.”
“Ich habe eine Idee. Was haltet ihr davon, mir in der Backstube zu helfen? Ihr dürft dafür bei mir wohnen und bekommt auch was zu essen. Nur an die Vorräte dürft ihr nicht ran. Ich bin schon ein alter Mann und würde mich über Hilfe und ein wenig Gesellschaft freuen.”
Und so kam es, dass die Mäusefamilie dem Nikolaus beim Backen und im Haushalt half.
Sie sind fleissig und immer vergnügt, denn hier geht es ihnen gut. Und immer zur Adventszeit setzen sich die Mäuse eine kleine rote Kappe auf und singen Weihnachtslieder. Sterne, Engel und Nikoläuse stechen sie aus dem Teig. Manchmal findet man dazwischen auch einen Keks in Mäuseform. Seit diesem Tag leiden die Nikomäuse keine Not mehr.
Bild: Alex Kolodziej
© Béatrice Ammann 2022-12-06