Nimbus 2000 – Twin Edition

Andreas Trimmel

von Andreas Trimmel

Story

Ein schneller Schritt, eine abrupte RichtungsĂ€nderung, ein Stich, ein Schmerz. Nein, nicht EIN Schmerz – TAUSEND Schmerzen. Und ein unbrauchbares Knie. UnfĂ€hig, die Last – mich – zu tragen. GestĂŒtzt von zwei Mitspielern humple ich anno 2018 vom Basketball-Court. Das Ausziehen und das Duschen schaff’ ich alleine. Einbeinig. Muss interessant aussehen – ich, unter der Dusche, den Kranich gebend, 


Interessanterweise lĂ€sst der Schmerz nach dem Duschen etwas nach und ich kann alleine zum Wagen humpeln. Ja, sogar selbst nach Hause fahren ist ohne grĂ¶ĂŸere Schmerzen möglich. Schnell schlaf’ ich ein. Zu Hause, versteht sich.

Die Schmerzen am nÀchsten Tag sind ertrÀglich, solange das Knie stabil, solange der Schenkel-Winkel unverÀndert gehalten wird. Dennoch ist klar, irgendetwas ist nicht in Ordnung, irgendwas ging kaputt.

Das Kreuzband wird verdĂ€chtigt. Das ergibt die erste Begutachtung. In einigen Tagen steht die erhellende Beweisaufnahme an. Mal schauen, ob wir uns außergerichtlich einigen oder eine Verhandlung notwendig wird.

Einige Tage spĂ€ter legt der HauptverdĂ€chtige glaubhaft seine Unschuld dar, bekundet gar seine dauerhafte LoyalitĂ€t. Im Fokus steht nun ein bisher nur am Rande VerdĂ€chtigter, die Beweise sind erdrĂŒckend: Der Meniskus war’s. Den hat’s zerrissen. Ha! Dem wird’s nun an den Kragen gehen.

Location, Personal und Termin sind bald fixiert. Ein paar Wochen wird’s dauern und dann kann er was erleben, der Meniskus. Bis dahin darf er Anderes erleben. Barcelona zum Beispiel. Das zeig’ ich ihm, da flieg’ ich schnell mal hin. Zum Shoppen.

Meinen Eurolieferanten muss ich erst gar nicht lange davon ĂŒberzeugen, der ist gleich begeistert. Das trĂ€fe sich ganz gut, meint der. Shoppen wĂ€re echt toll. Workshoppen. Bei einem unserer GeschĂ€ftspartner in Barcelona. Zwei Meetings.

So kommt’s, dass mein zerfledderter Meniskus und ich noch schnell nach Barcelona zum Shoppen hoppen, bevor wir uns trennen können. Gut, eine endgĂŒltige, absolute Trennung wird’s nicht werden, einschneidend aber allemal.

Dann steht er an, der Meniskusrupftag. Die Messer werden gewetzt, die Spritze poliert. Wir liegen bald im Bett vor dem OP, der Meniskus und ich. Der Mann mit der Spritze bittet mich, von 10 rĂŒckwĂ€rts zu zĂ€hlen, sobald er mir das Kommando gĂ€be. Ich will noch fragen, ob in Einer-Schritten oder in Zehnteln – da sagt er schon „Los geht’s!“

Ich bring’ gerade noch ein „Zeh“ raus, dann bin ich weg. Also, nicht ich – nur mein Bewusstsein. Körper samt Meniskus sind schon noch da.

Als ich wieder aufwache, lieg’ ich in einem verdunkelten Raum. Weil’s eh schon finster is’, beschließe ich, gleich weiterzuschlafen.

Schon am Tag nach der erfolgreichen OP darf ich nach Hause. Zuvor bekomme ich allerdings noch mein Fortbewegungsmittel fĂŒr die nĂ€chsten Tage und Wochen verpasst. Nimbus 2000, Twin-Edition. Harry Potter wĂŒrde erblassen vor Neid. Quidditch lass’ ich aber vorerst bleiben. FĂŒrs Erste versuch’ ich mich im Orthopedic Walking.

© Andreas Trimmel 2021-04-11