No money, no honey

Ulrike Puckmayr-Pfeifer

von Ulrike Puckmayr-Pfeifer

Story
Stroud, England 2013

In dieser Geschichte geht es um Geld, das man haben muss, wenn man essen und trinken will.

Mein Mann und ich sind in England, in Stroud. Wir besuchen unsere Tochter, die schon einige Jahre dort lebt. Mein Mann kleidet sich alternativ, er trägt geschenkte Kleidung. Gebrauchte Kleidung, Second Hand der Umwelt zuliebe, aus Solidarität mit den Ausgegrenzten der Gesellschaft, weil er keinen Wert auf äußerliche Dinge legt oder weil es eine Prägung aus der Kindheit ist, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall sieht er nicht aus wie jemand, der Geld im Überfluss hat. Es kommt schon manchmal vor, dass ihm Leute Geld geben, weil sie ihn für einen armen Obdachlosen halten. Ich bin fast das Gegenteil von ihm. Ich kleide mich gerne schön. Geschmackvoll, modisch mit einem individuellen alternativen Touch. Ich wähle meine Kleidung sorgfältig aus und überlege schon auch, wie ich mit meinem Aussehen auf andere Menschen wirken könnte. So manchen Streit hat es deswegen schon zwischen uns gegeben, weil ich gerne einen gut gekleideten Partner an meiner Seite haben wollte. Es sollte halt nicht sein. Irgendwann habe ich aufgegeben, ihn mit meinen Wünschen zu quälen und sein Outfit zu tolerieren. Manchmal beneide ich ihn sogar wegen seiner Unbekümmertheit und Sorglosigkeit, was Kleidung betrifft. Nun ja, wie gesagt, wir waren in England bei unserer Tochter. Es war natürlich gleichzeitig unser Urlaub. An einem Vormittag spazierten wir durch das Zentrum des wunderschönen Städtchens Stroud. Wir sahen ein einladendes Selbstbedienungsrestaurant. Wir beschlossen einzukehren, um eine Kleinigkeit zu essen und zu trinken. Da standen wir nun vor der Vitrine und überlegten, was wir von den Köstlichkeiten nehmen sollten. Wir konnten uns nicht so schnell entscheiden. Hinter der Theke stand der Chef des Hauses und musterte uns. So muss es wohl gewesen sein. Er überlegte, ob diese Leute da auch genug Geld hätten, um das Essen zu bezahlen. Vielleicht hatte er schon schlechte Erfahrungen gemacht mit Leuten, die gegessen und getrunken haben, ohne zu bezahlen.

Schließlich wollten wir bestellen. Da sprach er uns an. Es war auf Englisch. Meine Englischkenntnisse sind nicht die besten. Aber soviel verstand ich, dass er offensichtlich Angst hatte, sein Geld nicht zu bekommen. Ich war sehr beschämt über diese Annahme, wir hätten kein Geld. Armut ist also doch eine Schande, dachte ich. Ich weiß nicht mehr genau, was wir getan haben, wahrscheinlich haben wir das Essen sofort bezahlt. Oder wir überzeugten ihn von unserer finanziellen Stärke. Er aber sagte lachend: »No money, no honey.« Das habe sein Vater schon immer gesagt. Wir bezahlten, nahmen das Gewünschte, setzten uns an einen freien Platz und ließen uns das späte englische Frühstück schmecken. Dieser Vorfall bot Gesprächsstoff für die nächsten Tage. Lustig und traurig zugleich.

Dieses Erlebnis macht mich noch heute nachdenklich. Geld ist existenziell notwendig in dieser Gesellschaft, in der Menschen immer wieder nach Aussehen und sozialem Status bewertet werden. Und es ist kein gutes Gefühl, zu den Ausgegrenzten zu gehören oder für Ausgegrenzte gehalten zu werden. »Armut ist keine Schande.« Eine zynische Aussage, die der gesellschaftlichen Realität nicht standhält.

© Ulrike Puckmayr-Pfeifer 2020-10-08

Genres
Essen & Trinken
Stimmung
Abenteuerlich, Herausfordernd, Informativ, Reflektierend
Hashtags