von Christian Kleber
Bis zu dieser Silvesternacht habe ich noch nie Drogen genommen. Ich schwöre! Gut, Alkohol schon. Und Zucker. Ich spreche allerdings von harten Drogen wie Kokain, Marihuana, Ecstasy und so weiter und so fort. Ich muss ehrlich sagen, dass ich bis zu dieser Nacht nicht einmal jemanden gekannt habe, der Gras raucht, ich wusste bis zu diesem Abend auch nicht, dass anscheinend halb Wien raucht, also Gras, eigentlich wusste ich ĂŒberhaupt nichts bis zu diesem Abend. Irgendwie war ich völlig anders aufgewachsen und sozialisiert worden, ob das nun gut oder schlecht war/ist, kann ich nicht beurteilen. An diesem Abend wollte ich auf eine Party gehen, Mikele (Name geschickt geĂ€ndert, damit der richtige Michael nicht draufkommt, dass er gemeint ist) wollte mich abholen. Soweit kam es aber nicht, da Mikele Stress hatte. So soff ich die eineinhalb Flaschen Sekt (ich will nicht âzweiâ schreiben, sonst hĂ€tte ich hier vor mir selbst ein schlechtes Gewissen) alleine aus und war im Begriff, mich hinzulegen, da schrillte das Telefon. Anni (Name geschickt geâŠ) fragte, wo wir blieben. Wir kommen nicht! Dann stand sie plötzlich vor der TĂŒr, um mich abzuholen. Sie hatte âwasâ dabei, wollte mit mir teilen. Ich sah sie fragend an, völlig ahnungslos. Dann zogen wir ein ganzes Gramm. Mit meinem FĂŒnfhunderter, den ich fĂŒr die Hochwasseropfer spenden wollte. Anni rauchte und blies mir den Schmok mitten ins Gesicht. Ich rauchte nicht, denn ich konnte nicht rauchen. Ich spĂŒrte nichts vom Koks und langte auch beim MDMA, da fraĂ ich gleich vier oder fĂŒnf Kugeln, und beim Ecstasy tĂŒchtig zu. Ich spĂŒrte nicht nur nichts, ich spĂŒrte ĂŒberhaupt nichts. Selbst mein Zustand des Völlig-Besoffenseins aufgrund des reichlichen Sektgenusses mutterseelenallein war nicht mehr zu bemerken. Wir tranken auch die Flasche, die Anni mitgebracht hatte. Sie war sehr erstaunt (Anni, nicht die Flasche), dass ich nichts, ĂŒberhaupt nichts, von all dem Zeug spĂŒrte, das ich da in ihrem Beisein konsumierte. Dann, urplötzlich, von einer Sekunde auf die andere, bekam ich einen unfassbaren SchweiĂausbruch und Anni verwandelte sich in Tatjana (NameâŠ), danach in Silvi (âŠ) und danach ĂŒberhaupt in alle Frauen, die ich bis zu diesem Zeitpunkt geliebt hatte. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Anni auch. Viele Stunden spĂ€ter lagen wir gemeinsam im Bett, nebeneinander, Anni war bei mir geblieben, weil sie Angst um mich hatte. Auch ich hatte Angst. Um die vielen mir so vertrauten Frauen, die da neben mir lagen und irgendeinen Stumpfsinn von sich gaben. Konnten die nicht deutlicher sprechen? Mein Zustand hielt vier Tage lang an, vollkommen daneben. Ich wollte mich bereits damit anfreunden, ein vollkommener Deschek zu bleiben bis an mein Lebensende, das offenbar kurz bevorstehen musste. Am Ende des vierten Tages war ich wieder der Alte. Keine Sau hat Anni und mir geglaubt, dass wir nichts gehabt hatten miteinander in dieser denkwĂŒrdigen Nacht. Dabei war sie ja gar nicht bei mir gewesenâŠ
© Christian Kleber 2022-02-01