von C_Lavie
Gleich am Anfang so ein unsinniger Blödsinn. Ein blödsinniger Anfängerfehler. Tränen traten ihr in die Augen. Was für ein Trara. Ihr Unvermögen war für sie eine herbe Enttäuschung, doch wenn sie nicht alles täuschte, konnte sie gegen geringe Gebühr, wirklich kein Vermögen, den Fehler gebührlich ausbessern lassen. Es einfach noch einmal besser machen. Doch wie hatte ihr das passieren können? Sie war doch so gewissenhaft vorgegangen. Hatte nach bestem Gewissen gehandelt, es sich wissentlich nicht leicht gemacht. Sich der Ordnung halber eine weite und eine weitere beschwerliche Korrekturschleife verordnet. Und doch war so etwas Leichtsinniges dabei herausgekommen. Es war kaum zu glauben, man konnte vom Glauben abfallen. Ihr stand der Sinn danach, das Exemplar in den Abfall zu werfen. Bevor man noch abfällig über sie reden würde. Wie ihre Lehrer früher. Vielleicht sollte ihr das Ganze ja eine Lehre sein? Sie hatte mal gehört: Nobody is, like, perfect. And nobody likes it: perfect. Denn geradezu überheblich war sie in den letzten Tagen gewesen. Hatte sich gegenüber Wesen überlegen gefühlt. Das Buch schreiben hatte sie wesentlich verändert. Ihr Lebenstraum war wahrlich wahr geworden, doch sie hatte es größer gemacht, als es in Wahrheit war. Ihre Größe überschätzt. Einerseits hatte das Werk ihr Selbstvertrauen und ihren Mut vergrößert. Andererseits, schätzte sie, war sie übermütig geworden. Der Mut hatte jegliche Demut gedemütigt. Deutlich hatte sie sich erhoben, und anderen erhobenen Hauptes verdeutlicht, dass sie sich einfach nicht genug um Erfolg bemühten. Dass ihre Mühe nicht ausreichte. Nun, erfolgreich war sie damit nicht. Distanz war die Resonanz. Mühelos distanzierte sie sich auch von sich selbst, räsonierte sie nun ihr Verhalten: Sie hatte sich distanzlos verhalten, war übergriffig gewesen, griff andere an. Sie stutzte – hier lag der wahre Anfängerfehler. Nicht der Fehler in ihrem Buch war das Fehlverhalten, sondern ihre Begriffsstutzigkeit. Dem Begreifen, was andere fühlten. Dem Begriff davon, was andere umgab. Das Universum hatte sie auf den Boden der Tatsachen geholt. Hatte ihre Überheblichkeit zur Chefsache gemacht. Nein, das war ja wieder eine faktisch abgehobene Denkweise. Fakt war: Niemand kümmerte sich um sie, um ihr Werk, um ihr Werkeln als Autorin. Nur sie selbst, nur ihr selbst war es wichtig. Sie hatte für sich etwas Notables geschafft, ja, doch für andere war es eine Randnotiz. Dies würde sie sich auf einem Zettel notieren, mit dieser Erkenntnis ihr nächstes Buch anzetteln. Eifer machte sich breit, Freude: Dieser Gedanke war erkennbar freudvoll. Entschlossen und voller Vorfreude klemmte sie sich ihr Buch unter den Arm. Ja, es würde noch eine ganze Armee von Büchern entstehen! Aber nach und nach. Schritt für Schritt. Noch weit war sie davon entfernt, im Beschreiten ihrer Schreibe für andere wichtig zu sein, – las sie sich selbst die Leviten. Und trotzdem: Jeder durfte jederzeit auf jegliches Werk stolz sein, mit oder ohne Fehler. Das galt für alle und unabhängig von der Geltung. Jeder gab das, was er oder sie zu einem bestimmten Zeitpunkt, mit seinem bis dato gesammelten Wissen, den Erfahrungen, und seinem Können nach, bewerkstelligen konnte. Das hieß nicht, dass ein Werk perfekt war. Aber wer mochte schon Perfektionistisches? Sie würde sich nicht mehr ärgern, und zurück in die Muße finden. In der Kunst musste, ja wollte, sie niemals perfekt sein. Das schwor sie sich – und dieser Schwur wiederum perfektionierte sie.
© C_Lavie 2024-05-15