Noch einmal um die ganze Welt

Hannes Steiner

von Hannes Steiner

Story
2021

Ich war erst 12, als ich Hugo Portisch zum ersten Mal getroffen habe, und zwar bei einer Buchpräsentation seines epochalen Geschichtswerks „Österreich II“. „Mit vielem Dank für die Hilfe“ steht im signierten Exemplar, weil ich mich um ein Packerl Taschentücher gekümmert hatte. Ich fühlte mich geehrt. Nach der Buchpräsentation gab es eine Einladung, und der große Journalist setzte sich neben mich, kümmerte sich herzlich wenig um die anwesende Prominenz und plauderte mit mir über meine Weltsicht. Ich fand das schon damals bemerkenswert und wurde begeisterter Seher seiner Dokumentationen.

Was lag also näher, als Hugo Portisch als Autor zu gewinnen, als ich mit 30 Jahren meinen eigenen Verlag gründete. In meinem Brief an ihn nahm ich augenzwinkernd höflich Bezug auf meine damalige Hilfe und bat um einen Termin. Den bekam ich und von da an sollten wir uns nie wieder aus den Augen verlieren. Ich wurde sein Verleger und ein Traum wurde wahr. Über das Buch „Die Olive und wir“ durfte ich den Menschen Hugo Portisch kennenlernen, mit „Was jetzt“ den Kämpfer, gemeinsam gingen wir für Europa auf die Straße.

„Hugo, du musst doch einmal dein ganzes Leben aufzeichnen“, sagte ich immer wieder zu ihm. Dann lachte er mich wie so oft schelmisch an und verwies darauf, dass er sich nie Aufzeichnungen gemacht habe und gar nicht wisse, wo seine Fotos seien. „Dann erzähl doch alles einem Journalisten!“, beharrte ich. „Wenn ich“s jemandem erzähle, dann dir“, war seine Antwort und er sah mich dabei bestimmt an. Und so saß ausgerechnet ich wenige Tage später im Auto auf dem Weg in die Toskana, über den Apennin, weiter nach Florenz und auf halbem Weg nach Pisa ins kleine malerische Bergdorf Massa e Cozzile. Es war nur wenig Zeit geblieben, ein Aufnahmegerät zu besorgen, und der Start war mehr als holprig. Ich hatte wohl beim Abendessen zu viel Rotwein erwischt und eine wirklich schlimme Nacht. Aber ich ließ mir beim Frühstück nichts anmerken, und so begann eine der aufregendsten Wochen meines Lebens. Von früh bis spät saßen wir bei 40 Grad im Schatten im einzigen Raum mit Klimagerät unter der Sonne der Toskana und es begann eine abenteuerliche, in Summe 30-stündige Reise um die ganze Welt – von der Flucht vor der SS-Einberufung zu einem Umsturzversuch von Otto von Habsburg, vom geheimnisvollen China der 1960er-Jahre zu einem Arrest am Flughafen von Havanna. Wie passt so viel in ein Leben?, schweiften kurz mal meine Gedanken ab und schon wurde ich mit „Interessiert dich das schon?“ zurück ins Jetzt befördert. Und weiter ging es mit den Erzählungen von seiner Journalistenschule in Afrika.

„Wenn ich mal nicht mehr bin, dann kannst du damit machen, was du willst, und lies das Buch „Die Broke“. Der Autor empfiehlt, dass man mit seinem letzten Scheck sein Begräbnis zahlt“, dann machte er eine kurze Pause und ergänzte: „Und dieser Scheck ist ungedeckt.“ Und da war es wieder, dieses liebevoll schelmische Lächeln dieses mutigen Mannes, den ich wirklich vermissen werde.

© Hannes Steiner 2021-04-02

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Romane & Erzählungen
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