Nolli Night Out

Jane Steinbrecher

von Jane Steinbrecher

Story

Nach dem Kino will ich mit meinem Freund Hauke und unserem besten Kumpel Sergej auf dem Nollendorfkiez noch etwas trinken, brauche Bargeld, darum stehe ich am Sparkassenautomaten. „Hey! Hast du Lust auf ein Abenteuer?“ Am Automaten neben mir lauert ein sportlicher Glatzkopf Ende 30. Ich schüttle den Kopf. „Nein, danke.“ „Da drüben ist ein Hotel. Ich hebe gerade 500 Euro ab. Sicher?“ „Sicher, danke.“ „Schade.“

Mein Recherchereflex springt an. „Machst du das öfter?“ „Nein. Ich hab Lust, was zu erleben. Und du gefällst mir.“ Ich verabschiede mich lachend; er ruft mir nach, ob ich wirklich sicher sei.

Auf dem Platz vor unserer Wohnung gleich nebenan erwartet mich nur mein Kumpel Sergej. Hauke ist kurz oben. Während wir auf seine Rückkehr warten, berichte ich, was passiert ist.

„Na, hast du’s erzählt?“ Ich bin noch nicht fertig, als mein Sparkassen-Freund plötzlich neben mir auf der Bordsteinkante sitzt. „Brühwarm!“, rufe ich. „Ist schließlich eine gute Geschichte.“ „Mir ist übrigens aufgefallen, dass es nicht 500, sondern 1000 Euro waren. Falls das was ändert?“ Ich bin hoch interessiert. Sein Geld ist mir egal. Aber ich brauche unbedingt mehr von seinem Kontext.

Noah arbeitet für eine bekannte Modemarke. Gerade kommt er von einer Sexmesse. Nun dürstet ihn nach einem Erlebnis. Der Straßenstrich ums Eck, auf den ich hinweise, ist ihm zu langweilig.

„Ich hab dich vom Taxi aus in die Sparkasse gehen sehen, hab dem Fahrer gesagt, er soll anhalten und bin hinterher.“ „Du bist extra ausgestiegen?“, rufe ich.

Mitten in mein Argwöhnen platzt mein Freund Hauke, den Blick bei seiner Rückkehr fragend auf den Fremden neben mir gerichtet. Sofort weiht Noah ihn in seine Pläne ein. Hauke lauscht mit liebenswürdiger Miene. Er lächelt dem bittersüßen Moment entgegen, da ich Noah aufkläre, dass er mit meinem Partner spricht. Als es soweit ist, klirrt das Selbstbewusstsein meines Sparkassen-Freundes wie eine zerbrochene Tasse.

„Scheiße. Sorry! Ich wollte nicht stören.“ „Du störst nicht.“ Meine Recherche ist noch nicht vorbei. Noah springt auf. „Ich geb euch was aus!“ Er holt vier Dosen Gin Tonic vom Späti gegenüber. Wahrscheinlich spürt er, dass er eine Attraktion ist. Ich beobachte ihn. „Du hast was genommen“, erkenne ich. „Was denn?“ „Kokain.“ Er befördert drei leere Döschen aus der Tasche. Dann ein volles. „Wenn ihr wollt…“

Schon stehen wir bei uns im Treppenhaus und ziehen umständlich Lines mit dem Fremden, der mir gerade noch 1000 Euro für Sex geboten hat, sich aber erst dafür schämt, seit er meinen Freund kennt. Danach schicke ich die anderen zurück vors Haus. Ich will unseren Hund aus der Wohung holen. Als ich runterkomme, ist Noah weg.

„Ein Mann ging an uns vorbei.“ Hauke zeigt über den Nolli. Er sieht begeistert aus. „Noah hielt ihn für eine Frau. Er hat mit uns um 50 Euro gewettet, dass er sie rumkriegt und ist hinterher.“

„Schade“, sagt die Geschichtensammlerin in mir. Vor allem aber die Schnorrerin. „Der kommt nicht wieder.“

© Jane Steinbrecher 2022-03-07

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