(Non) Plus Ultra

Story

Das da drĂĽben ist also Afrika. Umrisse eines Berges im Dunst. Etwas mehr als 14 km entfernt und eine andere Welt.

Herkules persönlich soll jene beiden Säulen ans Ende der Welt gepflanzt und darĂĽber das Motto “Non Plus Ultra“ gesetzt haben, fast wie eine Warnung. Der Ort ist bis heute bekannt als die “Säulen des Herkules”. Nur sind es eben keine Säulen, sondern zwei Berge, einer ist der Felsen von Gibraltar, der andere der Jebel Musa, der drĂĽben in Marokko liegt.

Gibraltar ist gar nicht die engste Stelle zwischen Europa und Afrika, wie viele fälschlich glauben. Die engste Stelle liegt südwestlich davon bei der Hafenstadt Tarifa, wo der winzige Abstand zwischen den beiden Kontinenten sogar noch ständig schrumpft, denn die afrikanische Platte schiebt bekanntlich nach Norden und dereinst wird es das Mittelmeer gar nicht mehr geben. Viel früher aber noch werden die Säulen des Herkules sich einander annähern und zu einer einzigen verschmelzen.

Lange Zeit, bis ins späteste Mittelalter hinein, galt das hier als das Ende der bekannten Welt. Man wusste zwar schon, dass da draußen ein riesiges Meer war, der stürmische Atlantik, aber man fürchtete und mied ihn. Das war das Mare tenebrosum, das Gebiet der Seeungeheuer und der unbekannten Gefahren, vielleicht entsprungen tatsächlichen Ängsten oder aber dem Bestreben, andere abzuhalten von so manchen Gegenden, denn schon in der Antike fuhr man zu den Zinninseln, nämlich nach Britannien.

“Non Plus Ultra” hieß es hier also, aber das war nicht so, und als man Amerika entdeckte und noch viel mehr, ließ Karl V., in dessen Reich bekanntlich die Sonne nicht unterging, das “non” weg. “Plus Ultra” war von da an sein Leitspruch. Immer weiter und noch darüber hinaus sollte es gehen, noch mehr wollte man entdecken und besitzen. Der Anspruch führte ins Unendliche. Die beiden Säulen schmückten weiterhin sein Wappen, kein geschlossenes Tor mehr symbolisierend, sondern eine Öffnung hinaus in die Welt. Karl zeigte starke Präsenz hier im ehemaligen Gebiet der Mauren, in jeder Stadt findet sich heute noch sein markantes Wappen mit den beiden Säulen und dem “Plus Ultra”.

Während der Pandemie hat die Hafenbehörde von Tarifa die Gelegenheit genützt und den Zugang zum tatsächlich südlichsten Punkt Festlandeuropas abgesperrt. Heute kommt man nur noch bis zur Festung, die Insel mit der Mariensäule ist praktisch unerreichbar. Mein Sohn war ihm Jahr 2008 noch dort und durfte für einige Augenblicke der Mensch auf dem europäischen Festland sein, der sich am weitesten südlich befand. Mir blieb das 2023 schon verwehrt.

Marokko lag beständig im Dunst, wie angeblich sehr oft hier. Der Jebel Musa zeigte sich kaum. Zahlreiche Schiffe zogen durch die Engstelle zwischen den Kontinenten, denn das hier ist eine der weltweit am stärksten befahrenen Routen. Der Weg führt vom und zum Suez-Kanal, die Fahrt um Afrika herum ist bei der Schifffahrt unbeliebt. Folglich geht alles hier durch. Und es geht schon lange “Plus Ultra”.

© 2023-03-29