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Julia Rother

von Julia Rother

Story

Auf dem Kassenband lagen Fischstäbchen, Ketchup und eine Packung Tiefkühlpommes.Darf ich bar bezahlen? Ja, darf ich doch, oder?

Das Ehepaar, das vor mir an der Kasse stand, hatte mich noch nicht bemerkt.

Meine Hände begannen in den engen Gummihandschuhen zu schwitzen und ein unangenehmer Geruch nach in Salz gekochtem Latex machte sich breit, was aber hoffentlich nur mir und meiner viel zu empfindlichen Nase auffiel.

Frau Flink wirkte aufgeregt und noch hektischer als sonst. Instinktiv zog ich den Kopf ein und zupfte meinen Mundschutz zurecht, mit der leisen Hoffnung, dass es ihr dadurch schwerer fallen würde, mich zu identifizieren.

Doch es kam, wie es kommen musste.

Einem plötzlichen Impuls folgend wirbelte sie herum, ihr schulterlanges Haar flog einige Zentimeter hinter ihrem Kopf her und mein Herz tat einen Satz.

„Ach, hallo! Gut, dass ich dich treffe, sag mal, stimmt das eigentlich, dass wir ab Montag nicht mehr zur Schule geh’n, ist einfach krass, oder, wie machst denn du das jetzt, lernen da alle von zuhause, wie soll denn das gehen, wie lange wollen die das denn durchziehen, was soll’n wir alle denn jetzt machen???“

Wie immer redete Frau Flink ohne Punkt und Komma.

„Sind Sie nicht meine Lehrerin und sollten mir das erklären?“, hätte ich gern gefragt, tat es aber nicht.

Für einen Moment war ich sprachlos.

Ich spürte, wie der Schweiß meine Handfläche hinunterrann. Ich vertrug dieses Material nicht gut, auch die fehlende Luftzufuhr an den Händen und im Gesicht verbesserte meine Laune nicht maßgeblich.

Schließlich meinte ich: „Ja, das stimmt. Bis jetzt ist noch nicht abzusehen, wie lange der Lockdown gehen wird. Manche sagen sogar, wir müssten dieses Jahr gar kein Abitur schreiben. Wir haben aber Hausaufgaben per E-Mail bekommen, die wir lösen müssen, auch wenn sie nicht bewertet werden …“, noch während ich sprach, begann der Mann meiner Lehrerin, die Einkäufe der beiden zu verstauen.

„Na ja, da lernt ihr ja gleich mal, wie’s im Studium laufen wird, da wird euch auch keiner mehr aufforden, eure Aufgaben zu machen, also dann, trotzdem schönes Wochenende, bis hoffentlich bald, bleib gesund!“

„Gleichfalls“, erwiderte ich schnell und holte innerlich tief Luft.

Frau Flink verschwand im Sturmschritt um die Ecke und entfernte sich aus meinem Blickfeld. Ihr Mann folgte etwas langsamer.

Als die Kassiererin grüßte, kramte ich meine Geldkarte hervor.

Meine Hände hörten auf zu schwitzen.

© Julia Rother 2021-02-22

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