von Christoph Gubser
Es lag Jahre zurück, als Hans Mertens letztmals in Meiringen gelandet war. «Langweilig» würden wohl seine Bekannten sagen, denn ansonsten berichtete er von Reisen zu Orten, die von Touristen kaum berührt wurden. Er bezog ein Zimmer im Parkhotel du Sauvage, und nach dem Auspacken erlaubte er sich einen Whisky in der Higlandbar, die eine typisch englische Atmosphäre vermittelte. Es waren aber nicht in erster Linie die Geschichten um Sherlock Holmes, die ihn umtrieben und der in diesem Ort allgegenwärtig daherkam. Schließlich wollte sein Vater, Sir Arthur Conan Doyle, seinen Erfolgsdetektiven Sherlock bei den Reichenbachfällen beerdigen, weil er ihn zu sehr vereinnahmte. Also ließ er sich dazu überreden, den Tod hinfällig zu machen und den Meisterspürer wieder aufleben zu lassen. Aber das war nicht sein Grund, das Parkhotel mit der authentischen Atmosphäre aufzusuchen, obschon er sich durchaus für solche Geschichten begeistern konnten, die Doyle schrieb und nicht auf den ersten Blick erkennen ließen, wie die Rätsel zu lösen waren. Vielmehr war er der Liebe wegen hierhergereist. Die Frau, die Höchstgefühle bei ihm ausgelöst hatte, wie sie im vorher und nachher nicht mehr beschieden waren, stammte aus dieser urchigen Umgebung. Sie war jedoch in keiner Weise ein Abbild dieser Region, wo enges Denken sich weit verbreitet hatte, weil die hohen Berge eine enge Begrenzung verhießen und somit vielleicht auch die Weite des Denkens ausgeschlossen blieb. Sie liebte die Weite und trieb sich am Meer umher, gab ihre angestammte Stellung als Sekretärin auf, um sich schließlich nach Lehrgängen zur Surfprofessorin ausbilden zu lassen; sie war nicht nur imstande, ihr Wissen an interessierte Gäste weiterzugeben, sondern erlangte eine gehörige Meisterschaft darin, sodass sie in vielen Wettbewerben weit vorne auftrumpfte und es manchmal auch aufs Treppchen langte. Ihr Drang nach Ungebundenheit hatte denn auch dazu geführt, dass sich ihre Wege trennten, denn er suchte eine größere Nähe, als sie es zulassen wollte.
© Christoph Gubser 2021-02-18