von Nadja_b
1, 2, 3, … und nochmal rückwärts. 10, 9, 8, … ganz ruhig. Bevor du fragst. Nein, ich bin nicht verrückt, ich habe auch keinen Zwang zu zählen. Aber manchmal, so wie in diesem Moment, muss ich versuchen, mich abzulenken, nicht auszuticken, nicht hinzuhören. Jeder weiß, dass das Leben Schwierigkeiten mit sich bringt. Mal mehr, mal weniger. Und bei mir ist es offensichtlich mehr. Das Misstrauen meiner Eltern mir gegenüber ist ja sowieso schon zum Alltag geworden, das ist normal. Was nicht zum Alltag gehört, aber jetzt doch irgendwie allgegenwärtig wird, sind die Beleidigungen und Anschuldigungen. Nichts tragisches, nur kleine Dinge. Diese summieren sich jedoch. Von “ Du hast schon wieder nicht aufgeräumt”, “du bist ein unnötiges Kind” zu “ Du bist überhaupt nicht für die Familie da”, ist alles dabei. Ich kann damit umgehen, Worte verletzen mich kurz, aber ich bin imstande, das zu händeln. Es ist nur… Ich habe keine Zeit für nichts mehr, neben 9 Stunden Schule pro Tag, zwei Stunden An-und Abreise zu jener, zuhause ankommen und kochen, bleibt keine Zeit mehr für meine Familie, geschweige denn mich selbst. Auf die Psyche einnehmende Aspekte sind gar nicht so einfach zu ignorieren. Stress, Versagensängste, man kennts ja selbst.
Oft frage ich mich, ob ich nicht ein wenig egoistisch bin, wenn ich sage, dass ich jetzt Zeit für mich brauche. Aber nein. Denn das ist der springende Punkt dieser Story.
Das Gefühl, zu ausgelaugt zu sein, um aufzustehen, die Müdigkeit, Stimmungsschwankungen oder gar das dumpfe Gefühl, irgendwie emotionslos zu sein. Genau das sollte man los werden, denn irgendwann geht unsere Psyche auf den Körper. Niemand ist perfekt und jeder braucht früher oder später einen Moment für sich. Der Moment, in dem man abschalten kann und keine Rolle für irgendjemanden einnehmen muss.
Ich habe das zu spät eingesehen. Mir fällt es heute noch schwer, meine eigenen Bedürfnisse zu realisieren und ihnen nachzugehen, ich habe mein Problem zu lange nicht wahrhaben wollen. Mir geht es besser. Noch nicht gut. Aber ich bin stolz auf mich, denn ich kann sagen, dass es mir eben noch NICHT gut geht. Oft ist es einfacher zu sagen “Mir geht es gut”, als zu erklären, was einem Schwierigkeiten bereitet. Denn oft genug weiß man nicht, was genau die Schwierigkeiten sind.
Eine kleine Bitte habe ich an die Person, die diese Geschichte bis hier hin gelesen hat. Vielleicht hast du dich selbst in manchen Punkten wiedererkannt. Wenn nicht, denke trotzdem über folgende Punkte kurz nach.
1. Was hast du heute gut gemacht?
2. Was wirst du für dich SELBST tun, wenn du heute nach Hause kommst?
3. Was hast du in den letzten zwei Jahren für dich erreicht?
4. Wo siehst du dich in einem Jahr?
Und zu guter letzt.
WO würdest du hingehen, wenn es dir nicht gut geht?
Ich meine damit keine Person. Denke über einen Ort nach, der dir persönlich Sicherheit gibt, einen, der es dir ermöglicht abzuschalten und auf dich selbst zu achten.
© Nadja_b 2022-06-21