Nur das Känguru schaut zu.

Christa Arnet

von Christa Arnet

Story

Wenn Sally seinen Gästen die Ooraminna Station zeigen will, braucht er dafür mindestens zwölf Stunden. Die von ihm geleitete Rinderfarm bei Alice Springs in Australiens Rotem Zentrum misst 67 km in der Länge und 30 km in der Breite und beherbergt 5000 Stück Vieh, 200 wilde Kamele sowie Tausende von Kängurus, Emus, Raubvögeln und Papageien. Und ab und zu auch ausländische Touristen, für die drei romantische Cottages, ein Farmhaus und verschiedene, einst für Dreharbeiten erstellte <<Wildwest>>-Gebäude zur Verfügung stehen.

Mit <<Ferien auf dem Bauernhof>>, wie man dies in Europa kennt, hat ein Aufenthalt auf Ooraminna nichts gemein. Saftige Wiesen und Gemüsegärten gibt es keine, einen Stall oder Unterstand auch nicht, von sauber gestriegelten Kühen oder zutraulichen Schafen ganz zu schweigen. Wer das Vieh sehen möchte, muss unter Umständen lange suchen. Die zottigen Hereford-Rinder bleiben von Geburt an sich selbst überlassen und müssen täglich weite Strecken zurücklegen, um ausreichend Nahrung zu finden. Auf die Qualität des Fleisches wirkt sich dies jedoch positiv aus: <<Was von meiner Station kommt, ist zu Hundertprozent biologisch>>, sagt Sally stolz. Die Tiere sind weder geimpft noch mit Kraftfutter hochgezüchtet, und ihre Weiden werden weder mit Dünger noch mit Insektizid behandelt.

Arbeit ist für die Viehzüchter trotzdem genügend vorhanden. Jeden Tag brausen die modernen Cowboys mit ihren Quadbikes los, um Tiere, Gelände und Wasserstellen zu überwachen. So romantisch wie wir Touristen die unfassbare Weite, das intensive Rot der ausgetrockneten Erde, die wie Designobjekte geformten Felsen und der nahtlose Übergang von Himmel und Erde empfinden, so brutal kann die Wirklichkeit hier sein: Hitze, Kälte, Dürre, Wind, Sand, Staub, Myriaden von Fliegen und periodisch gewaltige Überschwemmungen liefern den Farmern einen täglichen Kampf. Nicht nur unvorsichtige Touristen, auch Viehtreiber sollen sich in der ewig-gleichen Landschaft schon verirrt haben.

Kein Wunder, dass Sally uns einschärft, unsere Spaziergänge auf die nähere Umgebung zu beschränken oder aber mit einem kundigen Führer (und genügend Wasser) loszuziehen und bevor die Haut sonnenverbrannt und sandgestrahlt ist, in die komfortable Oase des Farmhauses zurückzukehren. Ohnehin sind keine großen Ausflüge nötig, um Interessantes zu erleben. Im Schaukelstuhl auf der eigenen Veranda sitzend, lauschen wir der zirpenden, zwitschernden Musik der Papageien, beobachten die hin und her flitzenden Eidechsen und bestaunen das Farbenspiel, das die untergehende Sonne auf die Felsen der umliegenden Hügel zaubert. Und jeden Abend, pünktlich um fünf Uhr, wenn wir uns den obligaten Sundowner Drink genehmigen, tauchen zwischen den Eukalyptusbäumen neugierige Gäste auf: Die Kängurus halten Nachschau, wer denn da wieder auf <<ihrer>> Terrasse sitzt.

© Christa Arnet 2022-02-01

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