Nur die Harten kommen in den Garten

Selbsthilfe ist wieder total angesagt, seit dem ein belegtes Brötchen fast 5€ kostet. Daher entschied ich mich eines Tages, als die Gedanken mal wieder so schwer wurden, das sie mir mit einem Buckel drohten, einer Gruppe von ebenfalls leidenden dazuzustoßen.

Eine online Gruppe genau genommen. Diese Menschen teilten Kummer und Sorgen so schnell, dass kaum einer Zeit gehabt hätte, auf diesen Niederschlag von Hilferufen zu antworten. Anstatt meinen Hilferuf zu verfassen und ins Meer von Hilferufen zu werfen, fing ich an zu lesen.

Ich las und las, über Stunden und Tage hinweg. Ich antwortete und unterhielt mich, las über das Leben der anderen und reflektierte meine Antworten. So oft, dass ich das Gefühl hatte, mir auch selbst alle Antworten gegeben zu haben, nach denen ich so lange gesucht habe.

So geht Selbsthilfe natürlich auch. Unerwartet, aber nicht unerwünscht. Doch auch dann, als sich mir der eigene Hilferuf erübrigt hatte, las ich weiter, tippte fleißig Antworten und unterhielt mich mit anderen.

Denn wer schon mal einen zynischen Teenager erlebt hat, der sieht auch die Dringlichkeit in diesem unnatürlichen Anblick. „Es ist zu spät für mich, schließlich bin ich schon achtzehn.“, eine Schande, dass man bis zur Volljährigkeit noch keine Heilung für Krebs gefunden hat, lernt man schließlich neben „Steuererklärung 101“ und „Grundlagen im Umgang mit einer dysfunktionalen Familie“ bereits in der Grundschule.

Dieses unnatürliche Bild der eigenen Abwertung zog sich über alle Altersgruppen hinweg. Die Jüngsten schrieben, dass sie mit 14 schon mehr hätten erreicht haben sollen, während die 40-Jährigen sich dessen sicher waren.

Ganz egal, ob man die Werkzeuge für einen strukturierten Alltag an die Hand bekommen hat oder nicht. Wer muss schon Emotionen zu verarbeiten wissen, wenn es etwas Hochprozentiges und das nächtliche Zähneknirschen auch tut? Schließlich sind wir ja keine Weicheier, alles Blödsinn mit dem Psychoanalyse-quatsch. Der makellose Lebenslauf bestimmt die Selbstliebe, das ist uns allen doch klar, oder?

Trotz alledem schrie ich mehrfach und teils vergebens, in die Höhle des Platons: „Du bist auch so wert geliebt zu werden!“, denn sie zuckten vor Schreck zusammen und rollten einen Stein vor den Eingang. Und ich frage mich, wieso lassen wir sie überhaupt in die Höhle treten? Dort aufwachsen? Und wieso setzen wir uns manchmal freiwillig hinein?