von Hannes Zeisler
war er Mitschüler in der Lehrerbildungsanstalt St.Pölten: Florian G.. Am Schulanfang 1951/52 betrat unser Klassenvorstand Dr.Anton F. mit einem blonden Jüngling unsere Klasse, über 1m 80 cm groß, gute 90 kg und ein Aussehen wie Curd Jürgens. Ein normannischer KLeiderschrank! Sein breites Grinsen ist mir heute noch in Erinnerung.
Da er bald Vertrauen zu mir fasste, erfuhr ich seine Lebensgeschichte. Einziger Sohn eines Volksschuldirektors, ausgestattet mit 300 Schilling monatlichemTaschengeld ( davon konnte ich mit meinen 20 Schilling nur träumen!) und Mitglied der Kremser Handballmannschaft. Daher das sportliche Erscheinungsbild. Auf dem Schikurs in Obertauern lud er mich nach einer Tour auf eine Jause ein und bezahlte für 10 dag Salami 9 Schilling! Während ihn die meisten Kollegen wegen seines manchmal ziemlich groben Auftretens mieden, respektierte er mich vermutlich wegen meiner Funktion als Klassensprecher und meines sehr guten Abschneidens in der Schule.
Natürlich interessierte mich, warum Florian von Krems an die LBA St.Pölten kam. Seine Erzählung war abenteuerlich! Er war in einem Internat untergebracht und bewarf die Nonnen, die dort wirkten, mit Knödeln, weil sie zu hart waren und ihm nicht schmeckten. Als er dann dem Violinlehrer den Geigenkasten an den Kopf warf, war die Geduld der Schulleitung zu Ende. Was er sonst noch angestellt hatte, weiß ich nicht. Jedenfalls hätte er zunächst Mittelschulverbot für ganz Österreich bekommen. Das Verbot wurde dann auf Krems beschränkt.
Für unsere Handballmannschaft – im zweiten Jahrgang – war er eine willkommene Verstärkung. Obwohl wir nur über einen kleinen Kader verfügten, gewannen wir jedes Spiel gegen die anderen Schulen in St.Pölten. Ich wirkte auch als Stürmer mit und hatte nicht unwesentlichen Anteil an unseren Erfolgen. Florian war während der Turnstunden ziemlich gefürchtet, da er bei Ballspielen fallweise auch Schläge in die Nierengegend austeilte! Im Waschraum trieb er einmal einen Kollegen vor sich her, dabei riss er eine Brause um, die einem Mitschüler eine blutende Kopfwunde verursachte. Das Wochenende verbrachte Florian gerne in den diversen Lokalitäten von St.Pölten. Kein Problem bei seinem Taschengeld!
AmJahresende war er verschwunden und ich hatte nur mehr zweimal ein Zusammentreffen mit ihm. Die Zeitungsnotiz “ Florian G. wegen sexueller Belästigung einer Nachhilfeschülerin verurteilt” machte einen Kollegen und mich stutzig. Als wir ihm zufällig in Wien begegneten, bestätigte er unseren Verdacht und meinte lachend: “Ich habe Glück gehabt. Ich bin in die Weihnachtsamnestie hineingefallen!”
Als ich mit meiner späteren Frau am Donaukanal zum Sonnenbaden lag, kam Florian vorbei, ein Mädchen auf den Armen. Als er mich sah, ließ er die Hübsche fallen und schrie: “Hallo, Zeiserl, freut mich, dich zu treffen!”
Was aus ihm geworden ist, habe ich nie erfahren, jedenfalls war er – zum Glück – kein Lehrer!
© Hannes Zeisler 2021-09-30