Obwohl ich einfach sterben wollte

Mein toter Blick wanderte umher und fiel auf den melancholischen See, auf dem ein paar Enten und Schwäne trieben. Sonst war die Gegend, in der ich stand, leer. Es fühlte sich unwirklich an, dass ich alleine an einem See stand und dessen grauen Wasser begutachtete. Still und friedlich war alles. Vorerst. Der Wind säuselte in den grünen Bäumen, die am Ufer standen.
„Es ist doch kälter, als ich annahm“, flüsterte ich und schauderte beim Gedanken jetzt ins Wasser zu laufen. „Aber seit wann können Tote wie ich Temperaturen wahrnehmen? Denn Tote sind ja schließlich tot. Sie spüren nichts“, dachte ich, obwohl ich wusste, dass es eine süße Lüge war. Lieber eine süße Lüge als die bittere Wahrheit. „Aber es ist schon sehr traurig, dass ich weiß, dass ich mich selbst belüge, aber diese Lüge am Ende selbst glaube.“
„Aber wenn ich wirklich tot bin, wieso zeigt dann der Schmerz in mir, dass ich noch lebendig bin?“, fragte ich mich wieder, während meine Augen sich mit Tränen fühlten.
„Verdammt… Das ist doch echt paradox, dass man sich tot fühlen kann, aber sein Umfeld noch wahrnimmt, oder? Oder ist das alles bloß eingebildet? Vielleicht bin ich ja wirklich tot, aber mein Verstand will es nicht glauben, dass ich unter der Erde liege. Ach, keine Ahnung…“
Ich schaute mich noch mal um. Niemand befand sich am Ufer. „Ist vielleicht auch besser so. Denn niemand sieht, dass ich einen Krieg mit mir führe. Und niemand wird mir helfen, wenn ich jetzt ins Wasser springe und im See still ertrinke. Zum Glück… Oder vielleicht auch nicht? Was passiert dann mit meinen Eltern und meiner Familie? Meine Freunde werden mich vermissen. Sie brauchen mich. Ich… ich kann doch jetzt nicht sterben. Ich muss für meine Freunde da sein. Obwohl ich einfach sterben wollte.“
Ich drehte mich um und verließ ohne einen weiteren Gedanken den Strand, an dem ich stand…
Zum Glück folgte ich meinen Gedanken nicht. Denn Suizid ist keine Lösung. Und das wurde mir auch später bewusst…