von Eva Filice
Meran als berühmter Kurort bietet als Ausgangspunkt für Wanderungen viele Möglichkeiten. Die Landschaft des Burggrafenamts Meran und das nahe Vinschgau ermöglichen Natur und Kultur auf hohem Niveau zu erfahren. Die Möglichkeit mit dem Südtirol-Gäste-Pass gratis Bus und Bahn benützen zu können, wurde von uns oft in Anspruch genommen. Mit dem Bus fuhren wir von Meran nach Dorf Tirol. Dort starteten wir mit einer Wanderung zur Akklimatisierung. Wir hatten Glück mit dem Wetter, der sonnige Tag war die ideale Voraussetzung für unser Vorhaben. Schon vom Ortsrand sahen wir das nahe Schloss Tirol in imposanter Position. Entlang des Weges bewunderten wir die Lage der Weingärten auf den steilen Hängen. Im Schloss Tirol, der Stammburg der Grafen von Tirol, werden auf eindrucksvolle Weise die Geschichte der Grafenfamilie, die Politik im Lauf der Jahrhunderte und die wertvollen Kunstgegenstände veranschaulicht. Der Weg vom Schloss in Richtung St. Peter führt erst leicht bergab und wieder bergauf. Ein hübscher Rastplatz mit fantastischem Blick auf Dorf Tirol in der Höhe und auf Meran im Tal verlockte uns zum Bewundern der umliegenden Bergwelt. Dem kleinen, aber bedeutungsvollen Kirchlein St. Peter näherten wir uns mit einer besonderen Erinnerung an unseren ersten Aufenthalt.
Vor mehr als 20 Jahren wanderten wir von unserer Frühstückspension in Algund zum Höhenweg und von dort nach Dorf Tirol. „Einfach bergauf, dann den Weg über St. Peter zum Schloss Tirol“, empfahl uns die Gastgeberin. Damals erreichten wir an einem heißen Junitag diesen wunderschönen Platz – ziemlich erschöpft nach einem steilen und anstrengendem Anstieg. Ein älterer Herr, der neben der Kirche wohnte, schüttelte verständnisvoll den Kopf und bemerkte: „Der Ochsentodweg hat’s in sich. Hockt’s eng a weng her!“ Er erzählte uns von der schwierigen Arbeit im steilen Gelände, die sogar manchem Ochsen das Leben kostete. Der Ochsentodweg ist ein steil ansteigender mit großen Steinen belegter Weg, in dem die Karren deutlich erkennbare Spuren hinterlassen haben. Wie oft mussten die Bauern Lasten nach oben auf diesem Weg befördern?
Nach einem kurzen Verweilen und wiederholter Bewunderung der Fresken in der aus dem 9. Jh. stammenden Kirche bestaunten wir auch die Freskenmalerei an der Außenwand von St. Peter. Sowohl die Fresken im Innen- und Außenbereich werden als besonderer Kunstschatz eingeordnet. Unser Weg führte uns am Schloss Thurnstein vorbei. Eine Tafel mit der Aufschrift „Ochsentodweg“ passierten wir mit einem wissenden Lächeln „heute sicher nicht“. Ein Buschenschank verlockte uns zu einer Stärkung. Danach fragten wir entgegenkommende junge Wanderer, ob der von uns eingeschlagene Weg nach Algund führe. Sie bejahten: „Da runter“. Bald merkten wir, wo wir waren, denn der steinige und steile Weg bergab wies eindeutige Spuren auf: Wir befanden uns auf dem Ochsentodweg! Auch der Weg bergab erforderte Vorsicht. Als wir uns dem Dorf Algund näherten, durchschritten wir einen Weg mit Weinlauben. Unerwartet kam uns ein Bus entgegen, dessen freundlicher Busfahrer für uns einfach auf der Straße stoppte und uns müde Wanderer nach Meran mitnahm.
© Eva Filice 2024-05-24